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Update

Zu viel Kinderlärm: Anwohner verprügeln Kindergärtner

Es sollte ein normaler Spielplatzausflug für eine Kreuzberger Kindergruppe werden, doch am Ende musste ein Betreuer ins Krankenhaus. Zwei Männer hatten ihn zusammengeschlagen, weil sie sich vom Kinderlärm gestört fühlten.

Gegen 10.30 Uhr waren die 13 Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren mit ihren beiden Betreuern in Kreuzberg unterwegs. Auf dem „Elefantenspielplatz“ in einem Wohnblock an der Admiralstraße begannen die Kinder zu spielen. Plötzlich rief ein Anwohner vom Balkon herunter, dass die Gruppe den Spielplatz verlassen solle, weil die Kinder zu laut seien. Die Erzieherin und der Erzieher ignorierten den Mann, doch der ließ nicht locker. Als die Kindergruppe auch auf weitere Pöbeleien nicht reagierte, kam der Mann mit einem Begleiter aus dem Haus direkt zum Spielplatz. "Er sagte noch zu mir: Lass das Kind an der Hand los“, erzählt der Kindergärtner, „dann schlugen sie auf mich ein."

Die entsetzten Kinder hätten mit ansehen müssen, wie der 32-Jährige verprügelt wurde. „Die Kleinen haben alle vor Angst geweint.“ Erst als die 48-jährige Erzieherin laut um Hilfe rief, gingen Anwohner dazwischen und die Angreifer ließen von dem Kindergärtner ab. Mit einem blauen Auge, Abschürfungen und Hämatomen am Oberkörper kam er ins Krankenhaus, wo er ambulant versorgt wurde. Die Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung. Der 39-jährige Mieter konnte noch in seiner Wohnung gefasst werden. Sein Komplize war vor dem Eintreffen der Polizei unerkannt geflüchtet.

Die Kindergruppe steht nach Aussage der Betreuer nach dem Angriff unter Schock. Das für denselben Tag geplante Sommerfest des Kreuzberger Kinderladens wurde vorsorglich abgesagt. Als erstes Bundesland ist Berlin in Sachen Kinderlärm mit einer Änderung des Immissionsschutzgesetzes bundesweit Vorreiter gewesen. Seit Februar 2010 gelten in der Hauptstadt laute Geräusche von Kindern offiziell als „Ausdruck selbstverständlicher kindlicher Entfaltung“, die „der Erhaltung kindgerechter Entwicklungsmöglichkeiten dienen“.

Die Gesetzesänderung soll verhindern, dass beispielsweise Kitas und Spielplätze durch Anwohnerklagen aus Wohngebieten verbannt werden. Störungen durch nächtliches Babygeschrei oder Lachen und Weinen von Kleinkindern sowie Spielgeräusche müssen von den Hausbewohnern seither als natürliches Verhalten der Kinder hingenommen werden.

Wenige Monate nach dem Berliner Gesetzesvorstoß wurde das Immissionsschutzgesetz auch auf Bundesebene geändert. Die 31 dort eingefügten Wörter haben eine weitreichende Wirkung. „Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung“, heißt es jetzt im Gesetz. „Es gibt keine geräuschfreien Kinder. Wir wollen auch keine geräuschfreien Kinder“, sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) zu der Gesetzesänderung.

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