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Polizei-Motorräder: Senat kann lokale Unternehmen kaum bevorzugen

Die Wellen der Empörung schlagen hoch, weil die Berliner Polizei bald nicht mehr BMW-Motorräder aus dem Spandauer Werk, sondern italienische Moto Guzzis kauft. Doch dem Senat bleibt wenig Spielraum.

Die Grünen beschwerten sich über die Motorrad-Entscheidung. Der Senat müsse ein grundsätzliches Interesse an der Unterstützung der heimischen Wirtschaft haben, sagte die Abgeordnete Lisa Paus. Einen Vorschlag, wie das geschehen sollte, machte sie nicht. Als vor zwei Jahren nicht der Berliner Unternehmer Hans Wall, sondern der französische Konzern Decaux den Zuschlag für die Außenwerbung der Verkehrsbetriebe (BVG) bekam, beschwerte sich die CDU. Der Regierende Bürgermeister hätte dies nicht zulassen dürfen, sagte der damalige Fraktionschef Friedbert Pflüger.

Es sind aber nicht nur spektakuläre Einzelfälle, die den Lokalpatriotismus kräftig anheizen. 5000 öffentliche Stellen vergeben in Berlin jährlich Aufträge, die fünf Milliarden Euro wert sind – immerhin 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Davon sollte die regionale Wirtschaft möglichst vorrangig profitieren. In dieser Forderung sind sich alle Parteien, Kammern, Unternehmensverbände und Gewerkschaften einig. Erzwingen lässt sich das aber nicht. Denn das europäische Vergaberecht zwingt die öffentlichen Auftraggeber in allen EU-Staaten in den freien Wettbewerb.

"Alle Bewerber sind gleich zu behandeln"

Die Vergabeordnung für Bauleistungen formuliert die Rechtslage: „Alle Bewerber oder Bieter sind gleich zu behandeln. Der Wettbewerb darf insbesondere nicht auf Bewerber beschränkt werden, die in bestimmten Regionen oder Orten ansässig sind.“ Und auch die Verdingungsordnungen für Dienstleistungen und für Freiberufler fordern, dass kein Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen diskriminiert werden darf. Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit sind Auswahlkriterien. Höchst- und Dumpingpreisgebote sollen aussortiert werden. Das wirtschaftlichste Angebot muss den Zuschlag erhalten. Der Europäische Gerichtshof und nationale Instanzen, vom bayerischen Oberlandesgericht bis zur Vergabekammer des Landes Brandenburg, hätten das EU-Vergaberecht in vielen Urteilen bestätigt, sagt Christine Nitschke, Rechtsexpertin der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Berlin. „Die Bevorzugung regionaler oder kommunaler Bieter ist kein auftragsbezogenes, sondern ein bieterbezogenes Kriterium und somit vergaberechtlich verboten.“ Jeder unterlegene Mitbieter könnte in diesem Fall mit besten Erfolgsaussichten vor die örtliche Vergabekammer oder vor ein ordentliches Gericht ziehen.

Trotzdem bestehen gewisse Möglichkeiten, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge eine mittelstandsnahe Standortpolitik zu betreiben. So müssen Bauaufträge nur dann europaweit („offenes Verfahren“) ausgeschrieben werden, wenn sie über einem Wert von 5,15 Millionen Euro liegen. Für Lieferungen und Dienstleistungen liegt dieser Schwellenwert bei 133 000 Euro, bei Trinkwasser, Energieversorgung und im Verkehrsbereich bei 412 000 und in sonstigen Fällen bei 206 000 Euro. Der Motorrad-Auftrag hat einen Umfang von 600 000 Euro und musste deshalb europaweit ausgeschrieben werden. Bleiben die Aufträge unter den jeweiligen Grenzen, kann ein ausgesuchter Kreis von Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert oder der Auftrag freihändig vergeben werden. Auch bei „besonderer Dringlichkeit“ darf der Wettbewerb eingeschränkt werden.

Kleine Aufträge, wie sie auf kommunaler Ebene täglich anfallen, aber auch die Aufteilung großer Projekte in mehrere Lose und Gewerke ermöglichen also eine Vergabe, die zielgerichtet die regionale Wirtschaft anspricht. Solche Ausschreibungen sind für Großkonzerne meist uninteressant. Die Wirtschaftsverwaltung des Senats erinnert in Rundschreiben alle Berliner Vergabestellen daran, diese Möglichkeiten konsequent zu nutzen. Die Bezirke bemühen sich darum, durchaus mit Erfolg. Deren Aufträge landen teilweise bei Handwerkern und kleineren Unternehmen im Kiez. Das Paradebeispiel für eine standortnahe Vergabepolitik ist aber der Großflughafen BBI. Dort wurde der Terminalbau in acht Lose aufgeteilt. Über 80 Prozent der Aufträge gingen bisher an Berliner oder Brandenburger Unternehmen.

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