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Polizei verliert Verdächtigen aus den Augen: Berliner Terrorsympathisant konnte ungehindert ausreisen

In der Überwachung der Berliner Dschihadisten-Szene gab es bei den Sicherheitsbehörden offenbar Engpässe.

Von Frank Jansen

Berlin - Nach Informationen des "Tagesspiegel" (Mittwochsausgabe) konnte einer der beiden am vergangenen Donnerstag in Berlin festgenommenen Terrorverdächtigen, der Deutschlibanese Samir M., im August 2010 aus Deutschland ausreisen, obwohl er als gefährlich bekannt war und ihm im September 2009 am Flughafen Berlin-Tegel der Flug nach Istanbul verwehrt worden war. Außerdem entzog ihm damals das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten den Reisepass. Im August 2010 hingegen konnte Samir M. nach Istanbul reisen. Über die türkische Metropole werden häufig Dschihadisten in Richtung Pakistan und Afghanistan geschleust, um dort am "Heiligen Krieg" teilzunehmen. Erst im Oktober 2010 kehrte Samir M. nach Berlin zurück, nachdem ihn die türkischen Behörden aufgegriffen und nach Deutschland zurückgeschickt hatten. In Sicherheitskreisen wird nicht ausgeschlossen, dass Samir M. im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet gewesen sein könnte.

Damit weite sich ein "Skandal" aus, der mit einem vergleichbaren Fall begonnen habe, sagte Guido Steinberg, Terrorismusexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik und ehemaliger Terrorismusreferent im Bundeskanzleramt, am Dienstag dem "Tagesspiegel". Ebenfalls im August 2010 war der Dschihadistensympathisant Fatih K. aus Berlin verschwunden, obwohl die Bundesanwaltschaft gegen ihn ermittelte und der Bundesgerichtshof den Haftbefehl nur unter Auflagen außer Vollzug gesetzt hatte. Eine der Auflagen war, dass Fatih K. sich regelmäßig bei der Berliner Polizei melden musste. Fatih K. wurde dann in der Türkei von der Polizei festgenommen. Im April 2011 verurteilte ihn das Kammergericht Berlin zu 22 Monaten Haft wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung.

Die Beobachtung der Verdächtigen überfordert die Polizei offenbar. Weiter auf der nächsten Seite.

Die unentdeckte Ausreise von Fatih K. und die von Samir M. seien offenbar eine koordinierte Aktion der Dschihadistenszene gewesen, sagte Steinberg. Ebenfalls im August seien zudem weitere Dschihadisten aus Berlin ausgereist, obwohl auch die Gefährlichkeit dieser Leute bekannt gewesen sei. Zumindest zwei dieser Dschihadisten sind auch bis nach Afghanistan gekommen. Einer der beiden, der Marokkaner Mohammed A., wurde dort im Mai festgenommen.

Es sei einerseits richtig, dass die Berliner Sicherheitsbehörden versuchten, Dschihadisten an der Ausreise zu hindern, sagte Steinberg, andererseits seien Polizei und Verfassungsschutz dort mit der Beobachtung dieser Leute offenbar überfordert. Steinberg regte an, die Berliner Sicherheitsbehörden sollten öffentlich sagen, an welchen Stellen mehr qualifiziertes Personal benötigt werde, um künftig solche Pannen vermeiden zu können. 

Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) verwahrte sich gegen die Kritik. "Die Behörden können gegen solche Leute einen Warnschuss setzen und ihnen den Pass wegnehmen", sagte Körting am Dienstag dem "Tagesspiegel". "Aber in einem freien Land kann ich nicht verhindern, dass jemand, gegen den kein Haftbefehl vorliegt, die Bundesrepublik illegal verlässt. Ein Haftbefehl lag gegen Samir M. im Sommer 2010 nicht vor." Der Senator betonte, "der Mann wurde seit 2009 intensiv von den Sicherheitsbehörden beobachtet. Die Tatsache, dass die Polizei ihn in der vergangenen Woche festgenommen hat und ein Haftbefehl erlassen wurde, zeigt die Professionalität der Berliner Polizei."

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