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Berliner Polizisten im Einsatz.

© dpa

Polizeipräsident Klaus Kandt: „Berlin ist ein hartes Pflaster“

Klaus Kandt spricht über das "Feindbild Polizei", Radfahrer in der Hauptstadt und die neue Facebook-Fanpage der Polizei. Und der Polizeipräsident sagt auch, warum man nicht immer "stumpf das Recht durchsetzen" sollte.

Herr Kandt, erkennt man Sie mittlerweile auf der Straße?

Ja, mehr als vor einem Jahr. Ich werde gelegentlich auch angesprochen. Auch auf dem Fahrrad? Auf dem Rad eigentlich nicht. Mit dem Helm hat man eine gewisse Tarnung, und ich fahre relativ zügig, dann passiert das nicht so häufig.

Haben Autofahrer Sie schon beim Rechtsabbiegen geschnitten?

Früher, als ich jünger und schneller war, hatte ich ein paar Rechtsabbiegerunfälle. Heute fahre ich entspannter, da passiert es nichtmehr. Ich achte mehr auf Rechtsabbieger, und ich habe buntere Kleidung an.

Ist das Radfahren die notwendige Entspannung für ihr Amt?

Ja, morgens macht es wach und abends macht es den Kopf frei. Das ist wunderbar.

Wie finden Sie die Verhältnisse auf der Straße? Viele haben das Gefühl, die Polizei macht einmal im Jahr eine 24-Stunden-Großkontrolle – und ansonsten macht jeder, was er will.

Klaus Kandt, 53, ist seit dem 17. Dezember 2012 Polizeipräsident in Berlin. Der gebürtige Stuttgarter ging nach dem Abitur zur Polizei. Zuvor war er Präsident der Bundespolizeidirektion Berlin sowie Polizeipräsident in Frankfurt/Oder und Potsdam. Seit mehr als 25 Jahren lebt er in Berlin. Er hat drei Kinder und ist passionierter Rennradfahrer.
Klaus Kandt, 53, ist seit dem 17. Dezember 2012 Polizeipräsident in Berlin. Der gebürtige Stuttgarter ging nach dem Abitur zur Polizei. Zuvor war er Präsident der Bundespolizeidirektion Berlin sowie Polizeipräsident in Frankfurt/Oder und Potsdam. Seit mehr als 25 Jahren lebt er in Berlin. Er hat drei Kinder und ist passionierter Rennradfahrer.

© Thilo Rückeis

Eine totale Flächenüberwachung kann es gar nicht geben. Wir versuchen, den Daumen etwas draufzuhalten, dass die Dinge im Lot bleiben. Dieses Jahr waren wir ganz erfolgreich mit unserem Blitzmarathon. Da haben wir das Thema Tempo in den Fokus gerückt. Denn wir haben einen Anstieg bei Geschwindigkeitsunfällen. Im kommenden Jahr werden wir uns um das Thema Rechtsabbiegeunfälle kümmern. Aber wir werden nie zu einem völlig entspannten Verkehr kommen. Wir brauchen auch einen sinnvollen Straßenbau. Radfahrer müssen zum Beispiel an Kreuzungen so geleitet werden, dass es für sie akzeptabel ist. Dann steigt die Chance, dass der Radfahrer das Rotlicht beachtet. Das ist natürlich keine Entschuldigung für Rotlichtfahrer.

Wir warten immer noch auf die Großaktion gegen Zweite-Reihe-Parker.

Wir haben keine Kapazitäten, rund um die Uhr Großaktionen zu machen.

Was ist denn noch möglich? Anfang des Jahres haben sie gesagt, dass die Polizei ans Limit gespart ist und Polizisten auf der Straße fehlen. Wie ist die Situation am Ende des Jahres?

Ich vermute, dass ich bis an das Ende meiner Dienstzeit immer mit knappen Ressourcen kämpfen werde. Aber Innensenator Henkel hat eine Trendumkehr erreicht. Die Zahl der Polizisten steigt wieder, und das ist eine gute Nachricht.

Werden die Berliner die 250 neuen Polizisten auf der Straße sehen?

Ja. 250 ist schon eine Zahl. Wir verstreuen sie nicht über die Stadt, sondern schaffen zwei Einsatzhundertschaften. Wir sind dann für die vielen Demonstrationen und großen Lagen besser gewappnet. In diesem Jahr werden wir 4200 Versammlungen haben, das ist absoluter Rekord, angeheizt durch das Wahljahr und die Asyldebatte. Diese Veranstaltungslage fordert uns enorm. Die beiden neuen Hundertschaften werden wir merken.

Werden die neuen Polizisten auch gegen Wohnungseinbrecher eingesetzt?

Das kann sein. Aber das Thema Einbrüche haben wir schon seit Mai im Fokus. Wir haben da gute Erfolge. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist um 12 Prozent gesunken. Wir haben über 800 Einbrüche weniger als 2012. Wir haben auch eine hohe Zahl von Festnahmen, nämlich 181 Tätern . Auch die Zahl der Haftbefehle haben wir deutlich gesteigert. Jeder Haftbefehl ist eine Unterbrechung einer Serie.

Gibt es bei Wohnungseinbruchsdelikten überzogene Erwartungen an die Polizei?

Es gibt auch eine Verpflichtung des Bürgers, selbst etwas für seine Sicherheit zu tun. Wir bieten kostenlos Prävention an. Die Zahl der gescheiterten Einbrüche steigt, das ist ein Erfolg. Aber auch der Bürger muss wachsam sein. Wir haben einen deutlichen Anstieg von Festnahmen durch Hinweise von Nachbarn. Man darf die Polizei nicht alleine lassen.

Haben Sie einbruchsichere Fenster?

Ja! Bei mir wurde noch nicht eingebrochen.

Uns leuchtet nicht ein, dass immer noch gut bezahlte Polizisten zum Wacheschieben vor Botschaften eingesetzt werden, weil Objektschützer fehlen. Wie lange hält das noch an?

Wir gehen das Defizit auf drei Wegen an. Wir stellen 130 neue Objektschützer neu ein. Und wir prüfen, wo wir mit weniger Personal auskommen oder die Bewachung ganz streichen können. Wir überprüfen auch, ob der Schutz rund um die Uhr da sein muss.

Könnte man Objekte auch mit Alarmanlagen oder Video sichern?

Das ist denkbar. Wir haben zum Beispiel am Sprengplatz Grunewald elektronische Sicherungen. Selbst ein Outsourcen von Überwachung ist denkbar. Wir schauen gerade, was machbar ist...

...vor Bundeswehrkasernen steht schon lange privater Wachschutz...

...wo wir das genau machen wollen, möchte ich nicht sagen. Auch hier im Präsidium haben wir privaten Wachdienst.

Sind Sie eigentlich bei Facebook?

Klaus Kandt, 53, ist seit dem 17. Dezember 2012 Polizeipräsident in Berlin. Der gebürtige Stuttgarter ging nach dem Abitur zur Polizei. Zuvor war er Präsident der Bundespolizeidirektion Berlin sowie Polizeipräsident in Frankfurt/Oder und Potsdam. Seit mehr als 25 Jahren lebt er in Berlin. Er hat drei Kinder und ist passionierter Rennradfahrer.
Klaus Kandt, 53, ist seit dem 17. Dezember 2012 Polizeipräsident in Berlin. Der gebürtige Stuttgarter ging nach dem Abitur zur Polizei. Zuvor war er Präsident der Bundespolizeidirektion Berlin sowie Polizeipräsident in Frankfurt/Oder und Potsdam. Seit mehr als 25 Jahren lebt er in Berlin. Er hat drei Kinder und ist passionierter Rennradfahrer.

© Thilo Rückeis

Sind sie eigentlich bei Facebook oder twittern Sie?

Privat nicht. Bei der Polizei haben wir eine Projektgruppe ’Neue Medien’. Wir müssen uns der veränderten Kommunikation anpassen. Ich bin guter Dinge, dass wir im nächsten Jahr bei Facebook online gehen. Wir wollen die Behörde mit einer Facebook-Fanpage präsentieren. Wir kalkulieren gerade, wie viel Personal das kostet. Denn wenn online gefragt wird, muss auch online geantwortet werden.

Nutzt die Polizei Facebook für Ermittlungen?

Ja, unsere Ermittler nützen alle zur Verfügung stehenden Quellen.

Wird in Berlin bei Polizeieinsätzen zu viel kritisiert?

Berlin ist ein hartes Pflaster. Der Mediendruck und der Fokus auf Fehlersuche bei der Polizei haben mich in diesem Jahr am meisten überrascht. Aber wir haben viel getan, um unsere Arbeit transparenter zu machen und besser zu erklären. Mir scheint, dass wir in den letzten Monaten milder beurteilt werden. Und es ist gelungen, die polizeilichen Aspekte von den politischen Diskussionen zu trennen, so gerade am Oranienplatz.

Gehört zu Ihren Erfolgen in diesem Jahr, das Feindbild entschärft zu haben?

Ja, definitiv haben wir das Feindbild Polizei etwas entschärft. Wir erklären die Dinge besser und haben eine Öffentlichkeitskampagne begonnen. Wenn die Berliner hinter der Polizei stehen sollen, dann müssen wir auch erklären, was wir machen. Auch Politiker kann ich nur davon überzeugen, mehr Geld und Ressourcen zu bewilligen, wenn ich gut erkläre, was wir machen und was wir nicht leisten können. Das ist gut gelungen. Und wir haben immer versucht, in Konflikten zu kommunizieren. Nehmen sie das Bauprojekt an der East Side Gallery. Wenn wir nur stumpf die Baumaßnahmen durchgesetzt hätten, hätten wir sofort eine wahnsinnige Eskalation der Lage gehabt. Das wäre ganz blöd gewesen. Stattdessen haben wir noch mal Raum gegeben für politische Diskussionen, bis die Sache klar war und die Luft raus. Erst dann konnte man kräftearm und gewaltfrei den Baubeginn ermöglichen. Das Gleiche bei der Baumfällung in der Crellestraße. Da ging es auch kurz hoch her, weil die Polizei die Fällung ermöglichen sollte. Wir sind an den Bezirk herangetreten, den Vorgang zu klären. Und dann ist die Aktion ganz unspektakulär verlaufen. Oder der Hungerstreik der Flüchtlinge auf dem Pariser Platz: Da haben wir kommuniziert und erklärt, dass wir nicht räumen. Das hat die Lage beruhigt. Am 1. Mai waren die Demonstranten verwirrt, dass wir sie zum Zielpunkt der Demonstration haben ziehen lassen. Aber warum hätten wir sie aufhalten sollen, wenn sie keine Steine schmeißen? Das sind Vorgänge, wo klar wurde, dass alte Feindbilder nicht mehr taugen.

Nach Ihrer Wahl Ende 2012 zeigten sie sich überrascht, dass das Amt politischer ist als erwartet. Haben sie sich dran gewöhnt?

Das ist eine Riesenbehörde. Ich bin immer noch dabei, Dinge zu ordnen, uns organisatorisch anders aufzustellen und strategisch voranzukommen. Ich bin auch ein wenig überrascht davon, wie schnell hier in Berlin Diskussionen entstehen und wie viel man zu tun hat, die Fettnäpfchen zu vermeiden.

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