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Berlin: Polizist terrorisierte seine Nachbarn Gericht sprach 52-Jährigen wegen psychischer Erkrankung frei

Kaum einen Tag Ruhe gab es im eigentlich ruhigen Titlisweg in Mariendorf. Da terrorisierte ausgerechnet ein Polizist monatelang seine Nachbarschaft.

Kaum einen Tag Ruhe gab es im eigentlich ruhigen Titlisweg in Mariendorf. Da terrorisierte ausgerechnet ein Polizist monatelang seine Nachbarschaft. Er pöbelte und drohte oder ließ die Musik aus seinem gelben Audi aufheulen. Der Gipfel kam im Mai 2002: Jürgen H. stand mit einer Waffe in der Hand auf der Treppe und zielte auf das Nachbargrundstück. Dort spielten zwei kleine Jungen mit ihrem Vater. „Peng, peng! Ich werde es euch noch zeigen“, brüllte der damalige Polizist. Dass die täuschend echt aussehende Pistole nur ein Spielzeug war, konnten die Bedrohten nicht erkennen. Und sie ahnten nicht, dass mit dem inzwischen pensionierten Beamten etwas ganz und gar nicht stimmte.

Sechs Vorfälle brachten den 52-jährigen H. gestern vor das Amtsgericht Tiergarten. Von Überlastung im Beruf sprach er, von der Trennung von seiner Ehefrau, von hohen Schulden und schweren Depressionen. „In der tiefen Lebenskrise ist es zu Ausrastern gekommen“, sagte H., der wie ein Häufchen Elend auf der Anklagebank saß. Allerdings hätten ihm die anderen auch übel mitgespielt. „Die haben mich einmal zusammengeschlagen.“ Das sei einige Tage vor dem Vorfall mit der Pistole gewesen.

Der frühere Polizist war vor knapp 15 Jahren in ein Reihenhaus im Titlisweg gezogen. Das Verhältnis zu seinen Nachbarn war wohl nie sonderlich innig. „Aber 2002 war es heftig“, sagte die 58-jährige Heidemarie U. im Prozess. „Er hat uns ständig auf die Palme gebracht, uns nachts aus den Betten geholt, weil er Streit suchte.“ Sie und ihr Ehemann informierten schließlich den Dienstherren des Nachbarn. Danach trat Ruhe ein. Kurze Zeit später ging H. in den vorzeitigen Ruhestand – und zum Psychiater. Eine Gutachterin sagte, H. sei manisch-depressiv, er habe sein Verhalten zur Tatzeit nicht steuern können. Da er inzwischen Medikamente nehme, sei er nicht gefährlich. Dem schloss sich die Richterin an. Als schuldunfähig wurde H. freigesprochen. Seinen Nachbarn bleibt ein Trost: Sein Haus im Titlisweg muss er ohnehin verkaufen.

Kerstin Gehrke

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