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Portrait: Das romantische Herz

Stefan Felmy wollte moderne Häuser bauen – eigentlich. Stattdessen wurde er Dombaumeister.

Wo gibt es sonst so ein Büro? Gerundet, in einer Kuppel, mit einer Empore, wo der Schreibtisch wie auf einer Kapitänsbrücke steht, mit viel Holz drumrum. Wie ein kleiner Rittersaal sieht es unterhalb der Treppe aus, nach Tafelrunde. Ein längerer Tisch in der Mitte, für Besprechungen. „Das schönste Büro“, sagt Stefan Felmy, und wirkt fast peinlich berührt. Er arbeitet in der kleinen Kuppel vorn rechts, vom Lustgarten aus gesehen. Hinter großen Rundfenstern, die von außen kaum zu sehen sind. Seine Arbeit, sagt er lächelnd, sei „Lust und Last“. Der 37-jährige ist Dombaumeister.

Der Arbeitsplatz im Dachgeschoss heißt Dombaubüro, und gleich nebenan ist das Planarchiv, dort lagern alte Entwürfe, stehen auch Skulpturen als Vorlage für Steinmetzarbeiten. Leuchter-Nachgüsse, Christusgemälde, Mosaiksteine, auch Gipsabdrücke sind zu sehen, von Engeln, von früheren Dompredigern.

Seit zweieinhalb Jahren ist Stefan Felmy, gebürtiger Nürnberger, im Amt, wacht über den Bauzustand des Berliner Doms. Er kennt noch längst nicht alle Räume, hat auch die Hoffnung aufgegeben, alles kennenzulernen. Als er antrat, war er sicher, spätestens in einem Monat das ganze Haus zu kennen. Nach vier Wochen gab er sich ein Jahr. Inzwischen setzt er sich keine Termine mehr. Der Dom ist bis in den letzten Winkel offenbar auch für Fachleute unergründbar. „Es gibt Bereiche, da kommt man eher durch Zufall hinein.“ Etwa, wenn es irgendwo feucht wird, weil die damals gebaute innenliegende Regenentwässerung nicht funktioniert. Weil wieder etwas verstopft ist, vielleicht eine Taube in den Abfluss gerutscht ist und das Wasser sich seinen Weg durchs Hausinnere bahnt, verschwunden hinter Wandverkleidungen. Der Dom sei zwar in gutem Zustand, der Wiederaufbau solide bewerkstelligt, der Grundbau völlig intakt, aber man müsse eben ständig auf der Hut sein, auf die Leitungen im Baudenkmal achten, auf den Brandschutz, auf die Glocken, die anfällig und damit ein Dauerthema für das Dombauamt sind, sagt Felmy. Man müsse überall stets und ständig reparieren, sonst komme es zu größeren Problemen, die der Dom dann nicht oder nur schwer finanzieren könne. „Das Haus ist eine Dauerbaustelle.“ Die nötige Sanierung der Kuppellaterne mit dem Kreuz ist ein Teil der Baustelle, aber gerade die spektakulärste Aufgabe. Die nötigen gut 1,4 Millionen Euro kann die Dom-Gemeinde allein nicht schultern.

„Dombaumeister zu werden nimmt man sich nicht vor“, sagt der Dombaumeister, übrigens verwandt mit dem kürzlich verstorbenen Schauspieler Hansjörg Felmy. In München studierte er Architektur. „Ich wollte eigentlich in erster Linie Häuser errichten, nicht erhalten.“ Aber während des Studiums habe sich seine Haltung geändert, er habe ein Praktikum für Denkmalpflege absolviert und dann in einem Münchener Büro gearbeitet, das sich auf die Pflege historischer Bauten spezialisiert hatte. So ein Bau war Schloss Linderhof von Ludwig II. „Da entdeckte ich mein romantisches Herz.“

Und das schlug besonders heftig, als Kaiser Wilhelms Berliner Dom einen Dombaumeister suchte, einen Spezialisten für historische Gebäude, mit dem Gespür für ihre Geschichte. Felmy ist erstaunt, über die oft spürbare Abneigung, die das historische Bauwerk erfährt, wegen seiner wilhelminischen Wuchtigkeit, seiner ausladenden Formen. Er versucht, die Kritik zu verstehen, aber es fällt ihm schwer. Man habe, glaubt er, im Berliner Dom immer mehr gesehen als eine Kirche: einen Repräsentationsbau. Vielleicht sei das eine Erklärung.

Mit anderen Dombaumeistern ist Stefan Felmy in regelmäßigem Kontakt, auch mit dem Landesdenkmalamt. Gerade sind Papierrestauratoren am Werk, um alte Dom-Pläne zu retten. Die sind im Gegensatz zum Dom in beklagenswertem Zustand.

Christian van Lessen

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