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Position: Eine neue Generation für Rot-Grün

Politische Gemeinsamkeiten kann man nicht wegen eitler Befindlichkeiten wegreden. Ein Gastbeitrag von Benedikt Lux und Ruppert Stüwe.

Aus dem Scheitern der rot-grünen Koalitionsverhandlungen müssen SPD und Grüne schleunigst lernen. Aber dieser Prozess wird dauern. Denn die Schlacht, die man sich um Berlin geleistet hat, trägt noch eine Reihe offener Wunden. Es ist schon ein Glück, dass Rot-Grün bei der Bundestagswahl 2013 nicht so gegeneinanderstehen wird wie bei der Wahl in Berlin. Dort wird es nicht darum gehen, dass die eine Seite der anderen ihre Eigenständigkeit und Geschlossenheit abspricht; genauso wie ein kleinerer Partner akzeptieren muss, dass ein Regierungschef ein überragend hohes Risiko hinsichtlich der Geschlossenheit der eigenen Reihen eingeht.

Was gilt es also zu lernen, in einer Stadt, zu der erfreulicherweise beide Parteien passen? Es ist wohl eine Mischung aus Gelassenheit und Vertrauen – weg von nervigen Schuldverschiebungsexzessen. Wer jetzt den Abgesang auf rot-grüne Bündnisse macht und politische Gemeinsamkeiten wegen eitler Befindlichkeiten wegredet, verkennt seine eigenen Wählerinnen und Wähler. Beide Parteien werden es schwer haben, sich nach innen zu erneuern, obwohl es bitter nötig ist. Wer eine tragfähige Grundlage für eine soziale und ökologische Perspektive will, muss sich in den nächsten Jahren in Berlin stärker öffnen als in den vergangenen fünf Jahren. Und das wieder in Zeiten von getrennten Wegen in Regierung und Opposition. Trotzdem, ganz nüchtern: Wer rot-grüne Politik will, muss daran umso mehr arbeiten. Alles andere wäre Kapitulation.

Rot-grüne Ideen? Für die Stadt bleiben sie allemal nötig. Denn die Politik muss weiter den Aufstiegswillen aller Menschen unterstützen, statt den Besitzstand zu zementieren. Berlin muss eine Stadt bleiben, die von Toleranz und Akzeptanz lebt, in der vieles möglich ist, was an anderen Stellen der Republik als undenkbar gilt. In der der eigene Lebensentwurf nicht unter Rechtfertigungsdruck steht.

Das ist im Übrigen nicht die atomisierte Stadt, in der jeder für sich alleine hinlebt. Die Berliner Freiheit ist nicht voraussetzungslos. Um den eigenen Lebensentwurf auch verwirklichen zu können, braucht es Chancen und Ressourcen. Politisch heißt das, nicht den eigenen Kampf ums Überleben zu forcieren, sondern die gemeinsame Verantwortung füreinander zu organisieren. Rot-Grün kann Berlin so zur Stadt der Solidarität machen. Indem wir entschieden auf die Daseinsvorsorge setzen und so für Ausgleich auf dem Wohnungsmarkt sorgen. Indem Bildung für alle gilt und das Ansehen einer Schule nicht vom Schultyp abhängt. In der gefördert wird, wer es besonders nötig hat.

Rot-Grün könnte aus zwei Subventionsstädten eine Stadt der Zukunft machen und unsere Stadt nachhaltig ausrichten. Denn wirtschaftspolitisch muss Berlin auf mehr setzen als sich vom Verbrauch begrenzter Ressourcen abhängig zu machen. Gegenüber der CDU wird gerade in den Feldern Bildung, Integration und liberaler Großstadtpolitik ein starkes Korrektiv nötig. Politik funktioniert schon lange nicht mehr paternalistisch. Rot-Grün könnte Berlin zur Stadt der Mitbestimmung machen, in der politische Entscheidungen transparent fallen. Zum Beispiel indem wir die Mitsprache im Quartiersmanagement, bei Bauprojekten, aber auch beim Profil von Schulen ermöglichen.

Freiheit, Nachhaltigkeit, Solidarität und Mitbestimmung oder einfach: „Die Stadt ihren Bürgern – jetzt und morgen“ – das ist der Kern unseres Projekts für Berlin. Jetzt braucht es Mehrheiten und Vertrauen in der SPD wie bei den Grünen. Das aber ist keine Aufgabe für einen Tag und wird nicht im taktischen Geplänkel nach der Wahl zu schaffen sein. Im Gegenteil, ein neues rot-grünes Projekt braucht eine neue Generation und vielleicht deshalb einfach auch etwas Zeit.

Benedikt Lux, 29, ist innenpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Ruppert Stüwe, 33, ist stellvertretender Kreisvorsitzender der SPD in Steglitz- Zehlendorf.

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