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POSITIONEN: Keine Tricks mit Tempelhof

Das Ziel des Volksbegehrens ist absurd – wie die Reaktion des Senats darauf Von Volker Ratzmann

Mit dem Ziel, die direkte Demokratie zu stärken, wurde die Verfassung zum Ende der letzten Legislaturperiode geändert. Und – notabene – die Änderung mehrheitlich von der Berliner Bevölkerung mit einer Volksabstimmung angenommen. Seitdem ist es möglich, nicht nur allgemein bindende Gesetze mittels Volksbegehren und anschließendem Volksentscheid leichter zu verabschieden, sondern auch rechtlich unverbindliche politische Forderungen zum Gegenstand solcher Abstimmungen zu machen.

Jetzt liegt erstmals ein zulässiges Volksbegehren mit einer solchen Forderung, nämlich den Flughafen Tempelhof als Verkehrsflughafen offen zu halten, auf dem Tisch. Würde man dieser Forderung folgen, brächte das unabsehbaren Schaden für Berlin. Das Aus für den Ausbau von Schönefeld als internationaler Flughafen und das Ende der diesbezüglichen Kooperation zwischen Bund, Brandenburg und Berlin wäre die zwangsläufige Folge. Deshalb sind die Initiatoren des Volksbegehrens politische Hasardeure, und ihre Forderung ist absurd.

Es ist aber das gute und verfassungsmäßig verbriefte Recht eines jeden, auch für die Beibehaltung des Flughafens Tempelhof als Verkehrsflughafen, ein Volksbegehren zu initiieren. Auch politisch absurde Forderungen können zum Gegenstand einer Volksabstimmung gemacht werden, solange sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Stimmen 169 789 Wahlberechtigte dieser Forderung zu, folgt ein Volksentscheid. Die zur Abstimmung gestellte Forderung wäre allerdings selbst im Falle eines gewonnen Volksentscheides – dafür wäre die Zustimmung einer Mehrheit von mehr als 606 244 Wahlberechtigten notwendig – nicht bindend. Bindend wäre nur ein Gesetz. Die Initiatoren des Volksbegehrens hätten einen Gesetzentwurf zum Gegenstand eines Volksbegehrens und eines nachfolgenden Volksentscheides machen können, der bei Annahme einen Senat gezwungen hätte, den Weiterbetrieb Tempelhofs als Verkehrsflughafen zuzulassen. Sie wollten aber augenscheinlich „nur“ die politische Auseinandersetzung und den Senat dazu zwingen, seine bisherige Entscheidung im Lichte einer Volksabstimmung zu überdenken. Das ist der Sinn der Regelung aus der Verfassung, und die gilt es ernst zu nehmen. Es ist deshalb politisch falsch, wenn der Senat jetzt versucht, mit einer sofortigen Entwidmung des Geländes vollendete Tatsachen zu schaffen, um das Volksbegehren ins Leere laufen zu lassen. Es rächt sich, dass der Senat so lange mit der Entscheidung, Tempelhof endgültig zu schließen, gezögert hat und kein Konzept für die Weiternutzung vorlegen kann. Die Auseinandersetzung um die Schließung Tempelhofs muss weitergeführt werden, dem Volksbegehren eine Kampagne für die Schließung entgegengesetzt werden. Das werden wir Grüne tun. Es ist jetzt notwendig, im Rahmen des Volksbegehrens deutlich zu machen, dass die aufgestellte Forderung das Land Berlin in eine Katastrophe führt, der Flughafen Tempelhof überflüssig, umweltschädlich und gefährlich ist und diesem Volksbegehren nicht zugestimmt werden darf. Ein erfolgreicher Volksentscheid würde den Senat zwar rechtlich nicht binden, politisch aber sicherlich Konsequenzen nach sich ziehen. Nach einer solchen Niederlage könnte keine Regierung zur Tagesordnung übergehen. Demokratie hat ihren Preis. Ich bin sicher – eine Mehrheit für Tempelhof als Verkehrsflughafen wird nicht zustande kommen (CDU und FDP konnten bei der letzten Wahl zusammen nur 398 610 Stimmen auf sich vereinigen). Die Frage nach dem „Was wäre, wenn …?“ ist also höchst hypothetisch. Ein souveräner Senat bräuchte keine Tricks, um diese Auseinandersetzung zu bestehen.

Der Autor ist Fraktionschef von Bündnis 90/Grüne im Abgeordnetenhaus

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