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Berlin: Potsdamer Justiz will Serow nicht zurück

BERLIN .Einen Tag nach der Festnahme des aus dem Potsdamer Untersuchungsgefängnis ausgebrochenen Sergej Serow streiten sich die Brandenburger und Berliner Polizei, wem das Verdienst um die Festnahme zukommt.

BERLIN .Einen Tag nach der Festnahme des aus dem Potsdamer Untersuchungsgefängnis ausgebrochenen Sergej Serow streiten sich die Brandenburger und Berliner Polizei, wem das Verdienst um die Festnahme zukommt.Die Zielfahnder des Landeskriminalamtes (LKA) Brandenburg behaupten, es sei ihren Informationen zu verdanken, daß die um Amtshilfe gebetene Berliner Polizei Serow stellen konnte.Es habe sich um den 86.Hinweis aus der Bevölkerung auf den Flüchtigen gehandelt, der den Brandenburger Zielfahndern zugegangen war, hieß vom LKA.Serow wird in absehbarer Zeit nicht nach Brandenburg überstellt, sondern zunächst in der U-Haftanstalt Moabit bleiben, bis sich die Justizministerien beider Länder geeinigt haben.

Die Berliner Justizsprecherin Svenja Schröder rechnet für nächste Woche mit einer Entscheidung.Ihre Brandenburger Kollegin Monika Haag sagte, Potsdam befürworte aus Sicherheitsaspekten nicht, daß Serow in die Haftanstalt der brandenburgischen Hauptstadt zurückkehre.Derzeit sitzt Serow in Berlin noch eine Reststrafe ab.Er war 1993 wegen schweren Raubes zu sechs Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden und wäre regulär erst Ende 1999 entlassen worden.Im Dezember 1996 wurde er nach Moskau abgeschoben.Gleichzeitig wurde für den Fall seiner Wiedereinreise nach Deutschland ein Vollstreckungshaftbefehl erlassen.

Inzwischen wurden auch weitere Einzelheiten bekannt, die zur Festnahme von Serow führten, der am Dienstag abend bei einem 36jährigen Mann in Prenzlauer Berg Obdach erhalten hatte.Dieser Mann war an diesem Abend mit seinem 15jährigen Neffen an der Schönhauser Allee unterwegs und durchstreifte ein eingerüstetes Sanierungshaus.Aus einer leerstehenden Wohnung im 4.Stockwerk hörte er Geräusche.Als er nachsah, überraschte er Serow, der offenbar Polizei vermutete und durch das Fenster auf das Baugerüst floh.

An bestimmten Tätowierungen wie der sogenannten "Knastträne", einem Tätowierungspunkt unter einem Auge, erkannte der ebenfalls vorbestrafte Nachtschwärmer in dem hungrigen und frierenden Fremden auf dem Gerüst jemanden, der seiner Hilfe bedurfte.Wie berichtet, brachte er Serow dann in der Erdgeschoß-Wohnung seines derzeit abwesenden Bruders an der Gaudystraße 4 unter.Seite an Seite mit dem wegen Entführung in zwei Fällen und eines zweifachen Tötungsdeliktes angeklagten Serow verbrachte dann der 15jährige Neffe des Gastgebers die Nacht in derselben Wohnung.Erst am nächsten Vormittag erkannte der Gastgeber anhand eines Fahndungsfotos in der Zeitung, wen er bei sich einquartiert hatte und benachrichtigte über den Notruf 110 die Polizei.

Die Berliner Beamten in der Funkbetriebszentrale benachrichtigten, wie in solchen Fällen üblich, die zuständige Dienststelle - das Zielfahndungskommando beim Brandenburger LKA in Basdorf.Von dort kam, ausweislich der Unterlagen bei der Berliner Polizei, nur kurze Zeit später der Hinweis: "Unser Zielfahndungskommando ist anderweitig unterwegs.Bitte übernehmen Sie die Sache".Ein Berliner Spezialeinsatzkommando (SEK) nahm Serow daraufhin fest.

Aus Basdorf dagegen heißt es, nachdem die Information aus Berlin auf die Gaudystraße 4 eingetroffen seien, habe der verantwortliche Leiter der Zielfahnder diesen Hinweis als erfolgversprechend bewertet und die für Prenzlauer Berg zuständige Berliner Polizeidirektion 7 um Amtshilfe gebeten: "Es war ein gemeinschaftlicher Erfolg", versuchte LKA-Sprecher Peter Salender die Wogen zu glätten.Von den 89 Hinweisen, die aus der Bevölkerung auf Serow eingegangen seien, stammten 27 aus Berlin.Treffer sei der Berliner Hinweis Nr.24 gewesen.

Ob der Hinweisgeber aus Prenzlauer Berg auch die ausgesetzte Belohnung von bis zu 300 000 DM erhält, prüfen derzeit die Rechtsanwälte des Auslobers.Bei ihm handelt es sich um den Sohn von einem der mutmaßlichen Opfer von Serow und Orlow.Beide sollen im Sommer 1997 auch den Computerhändler Alexander Galius entführt und getötet haben.Dessen Sohn hatte seinerzeit bereits für Hinweise, die zum Auffinden seines Vaters führen, mehrere 100 000 DM ausgesetzt.Nachdem Serows Flucht aus der Potsdamer Untersuchungshaftanstalt bekannt geworden war, setzte Venjamin Galius "bis zu 300 000 DM" für Hinweise aus, die zur "Wiederergreifung des Flüchtlings führen".

Daß diese so schnell vonstatten gehen würde, damit hatte keiner gerechnet.Der Anwalt der Familie Galius, Andres Schulz, glaubte nicht, daß Serow lebend wieder auftauchen würde: "Hier liegen Hinweise vor, daß die Flucht organisiert worden sein soll, um zu verhindern, daß Serow die Hintergründe der Tat und die Hintermänner benennt." Was die Auszahlung der Belohnung betreffe, müsse geprüft werden, ob der Helfer aus Prenzlauer Berg nicht sogar bei dem Ausbruch Serows geholfen habe.Es lägen Hinweise vor, wonach sich beide während einer gemeinsamen Haftzeit in Berlin kennengelernt hätten, sagte Rechtsanwalt Axel Hodok, der die Familie Galius in zivilrechtlichen Angelegenheiten vertritt.Eine "angemessene Honorierung" solle für Hinweise gezahlt werden.Stelle sich aber heraus, das der Hinweisgeber "Mittäterqualitäten" habe, sehe dies wieder anders aus.Auf jeden Fall sei die Familie Galius in der Lage, die Belohnung auch auszubezahlen.Reichgewordene Verwandte in den baltischen Staaten, woher die Familie Galius stamme, habe die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt.

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