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Potsdamer Platz: Der Stern leuchtet weiter

Mercedes schließt zwar den Autosalon, bleibt aber am Ort. Die Händler am Potsdamer Platz reagieren gelassen.

„Bleiben Sie wenigstens hier?“, fragen Kunden im Mercedes-Benz-Autosalon, nachdem der Verkauf des Daimler-Quartiers bekannt geworden ist. Sie schauen in betrübte Gesichter. Bald müssen die schönen Autos raus. Der Salon macht zum Jahresende dicht, ein Nachrichtensender soll einziehen. Die Ausstellungsräume, sichtbarstes Zeichen der Daimler-Präsenz, gehörten von Anfang an zum neuen Potsdamer Platz. Nun endet mit ihm ein Stück seiner Geschichte.

In der Stuttgarter Konzernzentrale wird versichert: „Das hat mit dem Verkauf nichts zu tun“, das sei nur eine Sache des Vertriebs. Alle anderen Einrichtungen des Hauses blieben am Potsdamer Platz, in nunmehr gemieteten Räumen. So werde auch der Stern über dem Vertriebsgebäude weiter leuchten.

Am Freitag spricht sich im Quartier der Verkauf des Geländes nur sehr langsam herum. Im dritten Stock der Potsdamer-Platz-Arkaden, dem Herzstück des Areals, will der Center-Manager auf das Thema nicht angesprochen werden. „Wir sagen nichts.“ Gesagt wird nur, dass der Verkauf an die Schweden keine Auswirkungen aufs Geschäft hat, es gebe langfristige Mietverträge. Die Kunden in den Arkaden wissen von dem Verkauf nichts, vielen ist er auch völlig egal. „Ich weiß gar nicht, wem das Gelände jetzt gehört“, sagt eine junge Frau. Ihr Vater sagt, der Verkauf des Geländes sei für den Geschäftsbetrieb der Arkaden unerheblich, ein Zeichen der Globalisierung, wieder einmal werde sehr viel Geld verdient.

Die Geschäftsleute reagieren gelassen, seit Monaten sind sie Verkaufsgerüchte gewohnt. Unter den Händlern wurde schon im August gemunkelt, der Verkauf von Daimler an eine japanische Firma sei geradezu perfekt, doch die Japaner hätten den Vertrag dann doch noch ändern wollen, was Daimler nicht wollte. Der Konzern kommentierte auch das nicht.

Im Zeitungsladen im Arkaden-Untergeschoss ulkt die Verkäuferin schon, hier werde wohl bald Ikea einziehen. Ein Kunde sagt, die Schweden hätten viel Geld, man müsse nicht um die Zukunft des Areals fürchten. Das sieht die Filmemacherin Sigrid Reichert-Purrath, die durch die Arkaden schlendert, anders. „Wenn Daimler aussteigt, ist die Kultur hier am Ende“, sagt sie. Das Unternehmen habe aufs nahe Kulturforum ausgestrahlt, Veranstaltungen gesponsert. Sie glaube, eine Bank werde weniger kulturelle Ambitionen haben. „Wir sind alle irgendwie verkauft worden“, sagt die Passantin. Allerdings habe sie es damals beim Bau des neuen Potsdamer Platztes nie für möglich gehalten, dass ein Unternehmen wie Daimler je ein so „volkstümliches Viertel“ errichten könnte. Vielleicht irre sie sich auch über den Käufer.

Das Viertel tobt am Freitag wie gewohnt, ist voller Touristen und Geschäftsleute, und der Weihnachtsmarkt lockt. Was sollte sich auch ändern? Auffallend ist nur, dass die Bürgersteige und der Asphalt der Alten Potsdamer Straße von Vogelkot bekleckerter wirken als sonst.

Christian van Lessen

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