zum Hauptinhalt
Die alte Potsdamer Synagoge wurde im Weltkrieg zerstört.

© PNN-Archiv

Potsdamer Synagogenstreit: Die Gläubigen streiten ums Gotteshaus

In Potsdam wird erbittert um den Neubau einer Synagoge in der historischen Mitte gerungen – und keiner blickt mehr durch. Drei Gemeinden zanken seit fünf Jahren miteinander, jede Vermittlung scheiterte.

In letzter Zeit ist es ruhig geworden im Potsdamer Synagogenstreit. Doch nicht etwa, weil er gelöst ist – im Gegenteil: Nach jahrelangem Gezänk hat sich die Brandenburger Landesregierung, die stets versucht hatte, zu vermitteln, im Spätsommer zurückgezogen. Man könnte auch sagen: Sie hat kapituliert. Denn auch in Berlins Nachbarstadt Potsdam wird innerhalb der jüdischen Bevölkerung seit Jahren ein erbitterter Kampf geführt. Und selbst die größten Optimisten glauben mittlerweile nicht mehr daran, dass es jemals eine Einigung geben wird. Die Geschichte des Konflikts beginnt mit dem 2009 vorgestellten Entwurf für die neue Synagoge.

Als erste brandenburgische Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg soll Potsdam endlich wieder ein jüdisches Gotteshaus bekommen, und das auf einem der letzten freien Filetgrundstücke in der Innenstadt vis à vis vom neuen Landtagsschloss und der wieder entstehenden Potsdamer Mitte: die Schloßstraße 1. Der DDR-Plattenbau, der seit den 1960er Jahren dort stand, wird abgerissen und ein renommierter Berliner Architekt – Jost Haberland – nach einem Wettbewerb mit der Gestaltung der Synagoge beauftragt. Doch gegen den schlichten, modernen Entwurf Haberlands regt sich bald Widerstand innerhalb der jüdischen Gemeinschaft.

Sprachrohr der Kritiker ist von Anfang an der aus Israel stammende Potsdamer Dirigent Ud Joffe. Das von Haberland ersonnene Gebäude habe keine Ausstrahlung, kritisiert er Anfang 2010. Der Entwurf mit neun Büros sei weniger Synagoge als Verwaltungsbau. Und überhaupt, ein „russisches Kulturzentrum“ sei von vielen nicht gewollt, so Joffe mit Blick auf die Tatsache, dass die Jüdische Gemeinde Potsdam großteils aus Juden aus der einstigen Sowjetunion besteht. Kurz darauf gründet Ud Joffe eine neue jüdische Gemeinde – die Synagogengemeinde.

Neben der von vielen Ukrainern geprägten Jüdischen Gemeinde Potsdam und der sehr streng orthodoxen Gesetzestreuen Landesgemeinde Brandenburg ist es die dritte in der Landeshauptstadt. Joffe ist bis heute Vorsitzender der Synagogengemeinde. Die Landesregierung, die das Geld für den Synagogenbau bereithält und somit Bauherrin ist, muss nun mit drei Parteien verhandeln – die sich immer unversöhnlicher gegenüberstehen.

Von der neuen Synagoge gibt es Bislang nur Simulationen.
Von der neuen Synagoge gibt es Bislang nur Simulationen.

© Promo

Unterstützt werden die Jüdische Gemeinde Potsdam und die Synagogengemeinde jeweils von einem nicht-religiösen Verein aus Potsdamer Bürgern, die sich parallel in einer Art Stellvertreterkrieg beharken. Im Juni 2011 verhängt die Landesregierung zum ersten Mal einen Baustopp. Statt Bagger ist an der Schloßstraße 1 nun nur noch ein Zaun zu sehen. Und Gras, das mit den Jahren über die Baugrube wächst. Nicht so über den Streit.

Zahllose Runde Tische, Versöhnungsrunden, Mediationsverfahren werden einberufen und dann für gescheitert erklärt. Die Landesregierung ernennt Kulturstaatssekretär Martin Gorholt zum offiziellen Streitschlichter, unermüdlich lädt der SPD-Politiker die Gemeinden zu Gesprächen ein, lässt rote Linien erarbeiten und Minimalkonsense unterschreiben. Doch der Konflikt ist schon zu festgefahren, die Gemeinden rücken selbst von vermeintlichen Kleinigkeiten nicht mehr ab.

Ein Beispiel ist die Lage des Synagogenraums. Die Synagogengemeinde will ihn in der ersten Etage haben, die beiden anderen Gemeinden in der zweiten und dritten. Als der Architekt Jost Haberland im Frühjahr 2014 erneut einen überarbeiteten Entwurf vorlegt, ist es für eine Einigung schon zu spät. Obwohl der Bau mit einer Art Goldkrone deutlich sakraler daherkommt als der nüchtern-moderne Erstentwurf, bleiben die Fronten verhärtet. Um das Aussehen geht es schon lange nicht mehr, stattdessen um Macht und Einfluss und darum, wer sich letztlich durchsetzt.

Im Sommer 2014 muss sich das auch Staatssekretär Gorholt eingestehen. Er sieht nur noch zwei Alternativen: Entweder, er lässt die Synagoge nur für eine Gemeinde bauen oder er bläst das Projekt ganz ab. Im Juli dieses Jahres entscheidet er sich für Letzteres. Er verschiebt das leidige Thema in die nächste Legislaturperiode. Zufrieden ist damit kaum jemand. Die Jüdische Gemeinde Potsdam nicht, weil sie das Gefühl hat, von den Protestierern aus der Synagogengemeinde überstimmt worden zu sein. Der Architekt nicht, weil sein Entwurf schon wieder nicht umgesetzt wird. Und Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) nicht, weil seine Herzensangelegenheit, der Wiederaufbau der Mitte, damit weiterhin stockt. Einzig die Synagogengemeinde spricht von einer vernünftigen Entscheidung und kündigt einen neuen Vorschlag zur Güte an – doch passiert ist nichts. Zur Zeit will sich niemand offiziell äußern.

Erst einmal muss sich jetzt eine neue Landesregierung bilden und diese die 4,5 Millionen Euro für den Synagogenbau erneut freigeben. Dies dürfte das geringste Problem sein, niemand will als Verhinderer eines jüdischen Gotteshauses dastehen. Am wahrscheinlichsten scheint derzeit, dass dann die Synagoge nur für die Jüdische Gemeinde Potsdam errichtet wird und man dann versucht, die beiden anderen Gemeinden mit ins Boot zu holen. Dass dies gelingt, erscheint zwar mehr als unwahrscheinlich, vielmehr wird mit weiteren Protesten gerechnet. Doch Brandenburg wird auch nicht ohne Synagoge in Potsdam dastehen wollen – 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg.

Katharina Wiechers

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false