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Präsidentschaftswahl: Berlins Afghanen hätten gerne eine Stimme

Am Donnerstag wählt Afghanistan einen neuen Präsidenten. Die kleine Community in Berlin kann nur zuschauen - aus Kostengründen angeblich.

Von den knapp 50.000 Afghanen in Deutschland leben gerade einmal 597 in Berlin, plus einige wenige Eingebürgerte. Die meisten afghanischen Auswanderer hat es in Städte wie Hamburg oder Frankfurt verschlagen, wo es für sie traditionell Handel und Arbeit gibt. Die kleine Fraktion in Berlin besteht überwiegend aus Studenten und deren Verwandten. Sie ist zerstreut über alle Viertel, zu ihr gehören Paschtunen, Tadschiken oder andere ethnische Gruppen. Doch an diesem Donnerstag werden die Berliner Afghanen wohl zumindest eines gemeinsam haben: Sie werden per Satellitenfernsehen oder Internet die Wahlen in Kabul verfolgen. Und noch etwas teilen sie: die Hoffnung, dass es bei der Wahl mit rechten Dingen zugeht.

„Für uns Afghanen im Ausland ist es ziemlich traurig, dass wir – angeblich aus Kostengründen – nicht wählen können“, sagt etwa Mariam Notten, die seit über 40 Jahren in Berlin lebt. „Viele hätten gerne einen Stimmzettel“, so die 63-jährige Soziologin. Sie engagiert sich schon lange für ihre frühere Heimat und hat vor fünf Jahren den Verein „Scheherazade“ gegründet, mit dem sie notleidenden Frauen und Kindern in Afghanistan hilft.

Für den Fall, dass Wahlstimmen manipuliert werden, rechnet Notten mit Straßenprotesten und Unruhen in Kabul. „Ich und meine Freunde werden uns am Freitag im Afghanischen Kultur- und Kommunikationszentrum in Neukölln treffen und die Ergebnisse besprechen.“ Der Verein ist einer von zwei afghanischen Treffpunkten in Berlin.

Den anderen Versammlungsort organisiert der Journalist Mahmud Monajimzadah in Wedding. Der Deutsch-Afghane kam vor 35 Jahren zum Studieren nach Berlin. Er und seine Familie werden die heikle Wahl vom Wohnzimmer aus beobachten, per Deutsche Welle und englischsprachige Sender. Für „Public Viewing“ im islamischen "Kulturverein der Afghanen in Berlin" gebe es noch nicht die nötige technische Ausrüstung. Er wurde erst vor einem Jahr amtlich registriert und hat laut Monajimzadah 120 Mitglieder.

Allerdings seien die Zeiten, in denen sich Afghanen im Ausland politisch organisierten, ohnehin vorbei: „Früher hatten Exil-Afghanen gemeinsame Feinde“, sagt Monajimzadah, „wie etwa die Taliban oder die sowjetischen Besatzer.“ Doch inzwischen habe die Solidarität untereinander nachgelassen. Auch die Botschaft, die bis vor wenigen Jahren in Berlin häufig zu Veranstaltungen eingeladen habe, tue das nicht mehr, bedauert der Publizist. Er versuche daher, junge Afghanen für die Kultur seiner Heimat zu begeistern. So gebe es an afghanischen Nationalfeiertagen oder zu Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan, der an diesem Freitag startet, im Kulturverein ein Fest.

Sarmina Ferhad gehört zu jenen Berlinern, die nicht in einem Verein oder anders organisiert sind. Die 42-jährige Kommunikationsberaterin fühlt sich in keiner der Organisationen richtig aufgehoben, sagt sie. Für die Stimmenauszählung am Donnerstag interessiert sie sich dennoch und will sie in jedem Fall verfolgen. Im Heimatland ihrer Eltern war sie zuletzt im Mai. Zwar spreche sie die Sprache dort nicht, doch das Land hat für sie einen besonderen Stellenwert. 

Ferda Ataman

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