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Demokratie dauert. Die Schlange vor der französischen Botschaft zog sich zeitweise von der Wilhelmstraße bis auf den Pariser Platz.

© Paul Zinken/dpa

Präsidentschaftswahl: Berlins Franzosen sind erleichtert - soweit es eben geht

Alles, nur nicht Le Pen - so war die Stimmung unter den Exilfranzosen am Tag der Abstimmung. Aber auch Macron ist für viele nur das kleinere Übel.

Nein, Unterstützer der Front-National-Vorsitzenden Marine Le Pen sind in Berlin noch schwerer zu finden als gutes Baguette, sagt eine Frau und grinst. "Die trauen sich nicht raus." Ob es an den anderen rund 19.000 Exilfranzosen liegt, die tendenziell linke Kandidaten wählen oder aber am Wetter, lässt sie offen. Mehr als eine Stunde müssen die Wähler teilweise warten, die Schlange geht mitunter von der Wilhelmstraße bis zum Pariser Platz. Sonne, Regen, Hagel - die Franzosen halten durch. Es geht um viel an diesem Tag der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen.

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"Meine beiden Kinder haben die doppelte Staatsbürgerschaft. Was wäre, wenn Le Pen an die Macht kommt? Das macht mich sehr unsicher", sagt am Vormittag eine Französin vor der Botschaft. Sie lebt seit 28 Jahren in Berlin, nun wischt sie sich aufgeregt den Regen von der Stirn. Dass man jetzt aber bloß nicht denke, sie stimme in einer Stichwahl Le Pen-Emmanuel Macron gerne für den unabhängigen Bewerber. Der als wirtschaftsliberal und pro-europäisch geltende 39-Jährige sei einfach "das kleinere Übel". Mit echter Überzeugung könne sie nur im ersten Wahlgang wählen - und zwar Benoît Hamon, den Kandidaten der Sozialisten.

"Die deutschen Medien sind total pro Macron"

Auch Cécile, eine junge Freelancerin, kann sich für Emmanuel Macron nicht recht begeistern. Seit sechs Jahren lebt sie in Berlin und musste, so sagt sie, zuletzt feststellen, wie unterschiedlich ihn Franzosen und Deutsche bewerten. "Das liegt auch an den deutschen Medien, die total pro Macron sind."

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Ein Mitglied aus ihrem Chor habe ihr viel Glück gewünscht, dass Macron in die Stichwahl kommt. "Da habe ich erstmal erklärt, dass es nicht nur Macron gibt." Zum Beispiel Jean-Luc Mélenchon, der zum Teil radikal linke Positionen vertritt. Viele von Céciles französischen Freunden in Berlin wählen ihn, auch wenn Mélenchon harte Forderungen an die EU stellen will und mit einem Frexit droht, sollten seine Wünsche nicht wahr werden.

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Im zweiten Berliner Wahllokal im Institut Français auf dem Ku'damm will einer der Wahlhelfer am Morgen dann doch drei Le Pen-Sympathisanten bemerkt haben. "Sie sprachen deutsch miteinander und haben sich darüber unterhalten, dass sie den Front National wählen würden." Das Konterfei von Marine Le Pen fehlte derweil im Wahllokal - wie überall im Ausland waren die Aushänge der rechtsextremen Partei nicht rechtzeitig angekommen. An der Wand mit den eigentlich elf Kandidaten klaffte eine Lücke.

Aber auch hier dürfte in den meisten Wahlumschlägen nicht der Name "Marine Le Pen" gesteckt haben. Viele junge Franzosen schieben sich am Nachmittag durch den Raum zur Wahlurne und danach vorbei an der Delikatessentheke im angeschlossenen Bistro. Erst die Wahl, dann der Jambon. Aber die Kasse ist geschlossen, eine Frau murrt verärgert.

Gegen den Frexit. Auf der Kundgebung von "Pulse of Europe" auf dem Gendarmenmarkt waren viele Frankreichfähnchen zu sehen.
Gegen den Frexit. Auf der Kundgebung von "Pulse of Europe" auf dem Gendarmenmarkt waren viele Frankreichfähnchen zu sehen.

© Jörg Carstensen/dpa

"Ein Dilemma - egal, wie viel man trinkt"

Gut gelaunt ist dagegen ein Landsmann, der extra aus Lübeck angereist ist. Briefwahl? Nichts da. "Das mache ich lieber persönlich", sagt er. Politik müsse man ernstnehmen, schiebt er noch hinterher, sich mit ihr beschäftigen - vor allem in Zeiten, in denen die Rechte immer stärker wird. Seine Wahl sei darum auf Macron gefallen, der wirke kompetent und sei für ein offenes Europa, voilà.

Für viele Franzosen ist der Gang zur Urne mit deutlich mehr inneren Konflikten verbunden. Das war dann auch Thema bei einer Diskussionsveranstaltung im "Marie Antoinette" nahe der Jannowitzbrücke. Der französische Journalist Julien Méchaussie berichtete vom wiederkehrenden Phänomen in seinem Freundes- und Bekanntenkreis. "Wähle ich den, den ich wählen möchte? Oder lieber strategisch? Das ist anstrengend. Ein echtes Dilemma - egal, wie viel man trinkt."

Weil sich viele Franzosen von der Politik nicht mehr verstanden und angesprochen fühlen, hätten sie sich innerlich von der Demokratie verabschiedet, erklärt Julie Hamann von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Dass die Wahlbeteiligung zu diesem Zeitpunkt fast auf dem Niveau der vergangenen Präsidentschaftswahlen liegt, erklärt sie sich so: "Vier Kandidaten lagen kurz vor der Wahl gleichauf, da haben anscheinend viele gedacht, dass ihre Stimme doch etwas ausmachen könnte."

Jubel, Klatschen, nochmal fünf Champagner

Einige Kilometer weiter westlich sind sich einige Dutzend Franzosen sogar sehr sicher, dass sie etwas verändern können - und die ersten, inoffiziellen Zahlen, die belgische Medien durchsickern lassen, scheinen ihnen Recht zu geben. In einem Hotel auf der Hardenbergstraße hat der Berlin-Ableger von Macrons Bewegung "En Marche!" zum Wahlabend eingeladen. Es gibt Champagner und Pizza, ein Projektor wirft eine TV-Debattenrunde an die Wand - am unteren Rand zählt ein Countdown runter bis 20 Uhr. Kurz bevor die ersten, noch nicht offiziellen Zahlen verkündet werden, baut sich eine angespannte Stille auf. Dann: Macrons Name leuchtet auf, Jubel, Klatschen. Jemand stimmt, wie könnte es anders sein, die "Marseillaise" an und alle stimmen mit ein. Nochmal fünf Champagner, bitte!

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"Ich war mir nicht sicher, dass er es schafft", gibt Treyvis David zu. "Jean-Luc Mélenchon ist in der letzten Zeit einfach sehr stark geworden, er hätte viele Stimmen abgraben können", glaubt der junge Franzose, der eigentlich in London lebt und das Wochenende mit Freunden in Berlin verbringt.

"Es darf nicht so werden wie früher"

Auch Ira Schulz-Reichenbach ist nur zu Besuch, aber eine glühende Macron-Verehrerin. Die 78-jährige Deutsche lebt seit Mitte der 80er Jahre in Frankreich, wählen durfte sie mangels französischem Pass nicht - "ich hätte viel lieber die europäische Staatsbürgerschaft". In den vergangenen Jahren habe sich in ihrer Region, etwa zwei Stunden südlich von Paris, ein "enormer Fanatismus entwickelt". Sie selbst sei angegriffen worden, weil sie Deutsche ist. Bei den Regionalwahlen lag der Front National vorn.

Da kämen Erinnerungen auf, erzählt sie mit feinem Hamburger Ton in der Stimme, Erinnerungen an die Zeit vor 1945, als es noch nicht das Europa gab, für das sie sich seit Jahrzehnten engagiere. Macron der Pro-Europäer, wird er darauf die richtigen Antworten finden? Ira Schulz-Reichenbach hofft es. "Ich will solche Sachen nicht noch einmal erleben, das darf nicht sein."

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