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Prävention: Offensive gegen die Aids-Gefahr

Fast ein Sechstel der in Deutschland stattfindenden Neuinfektionen mit Aids passieren in Berlin. Vor allem die Risikobereitschaft junger Menschen steigt wieder. Der Rot-Rote-Senat will mit einer Präventionskampagne darauf reagieren.

Von Sabine Beikler

Eine traurige Bilanz: In Berlin gibt es bundesweit die meisten Neuinfektionen mit dem Aidsvirus. Im Vorjahr wurden 460 Neuinfektionen (bundesweit 3000) registriert, ein Anstieg gegenüber 2002 um das Doppelte. Trotz dieser besorgniserregenden Entwicklung hat die Politik bisher keine neue Strategie gegen die steigende Zahl der Neuinfektionen entwickelt, gezielte Präventionskampagnen fehlen ebenso wie der politische Wille des Senats, mehr Geld für die HIV/Aids-Prävention und Behandlung von aidskranken Menschen zur Verfügung zu stellen. Die Fraktionen von SPD und Linke fordern jetzt in einem Antrag den Senat auf, neue umfassende Präventionsstrategien zu entwickeln, dem Parlament ein Konzept vorzulegen und die Versorgungsstruktur für HIV-Infizierte und Aids-Erkrankte zu überprüfen. Der Antrag soll am Donnerstag ins Parlament eingebracht werden.

Selbstkritisch sagt SPD-Gesundheitspolitikerin Stefanie Winde: „Das Thema Aids wurde in den letzten Jahren vernachlässigt. Die steigende Zahl der Infektionen ist so alarmierend, dass dringend das Bewusstsein geschärft werden muss, dass diese Krankheit nach wie vor unheilbar ist.“ Vor allem auf die Risikobereitschaft junger Menschen, nicht mehr „Safer Sex“ mit Kondomen zu praktizieren, müsse verstärkt eingegangen werden.

„In den ersten Jahren nach dem Entdecken von Aids haben noch Aufklärungsplakate geholfen. Mit der vermeintlichen Normalisierung aber muss jede Generation von neuem über die Gefahren der Ansteckung informiert werden“, sagt Kai-Uwe Merkenich. Unbefriedigend ist zurzeit die Aufklärung an den Schulen: Sie findet weder flächendeckend statt noch gibt es eine verbindliche Regelung, dass Schüler mindestens einmal in der Grund- und weiterführenden Schule über sexuell übertragbare Krankheiten informiert werden. Das fordern die Berliner Grünen in einem eigenen Antrag „Gesamtkonzept für sexuelle Gesundheit“.

Die Berliner Aids-Hilfe und das schwule Info- und Beratungszentrum Mann-O-Meter bieten inzwischen HIV-Schnelltests an. „Mit dem niedrigschwelligen Angebot können wir auch Personen erreichen, die nicht einige Tage auf das Testergebnis warten wollen oder können“, sagt Merkenich. Der Test kostet zehn Euro, die Beratungsstellen finanzieren den Kauf der Schnelltests zum Teil aus Lottomitteln, Geld vom Senat gibt es dafür nicht und ist laut Koalitionsantrag auch nicht geplant. Hilfsprojekte, Grüne und FDP dagegen fordern eine finanzielle Unterstützung. In diesem Jahr finanziert die Senatsgesundheitsverwaltung 13 Projekte für Prävention und Betreuung von Aidskranken mit 2,1 Millionen Euro.

Da unter den Neuinfektionen nach wie vor 80 bis 90 Prozent Männer sind, die Sex mit Männern haben, fordern die Grünen zudem gezielt eine Präventionskampagne für Männer unter Einbeziehung der Migranten. „Der Koalition fehlt eine klare Zielrichtung. Sie will mal wieder nur die Projekte prüfen ohne eine finanzielle Aufstockung der Mittel“, kritisiert der Grünen-Abgeordnete Thomas Birk. Auch FDP-Gesundheitspolitiker Kai Gersch sieht das Konzept „weichgespült ohne klare Forderungen“. Grüne, FDP und CDU setzen sich seit längerem dafür ein, dass die HIV-Schwerpunktpraxen ausreichend über die Kassenärztliche Vereinigung finanziert werden. Die Opposition fordert den Senat auf, sich dafür einzusetzen. „Da sollte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen“, sagt Gersch. Immerhin werbe Berlin ja auch mit seinem Image als „Schwulenmetropole“.

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