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Vierhändig. Den analogen Synthesizer, den die Berliner Musiker Thomas Kürstner (hinten) und Sebastian Vogel (vorne) für das Stück „Rein Gold“ gebaut haben, können sie nur zusammen bedienen – für einen allein sind es einfach zu viele Schalter und Knöpfe.

© promo

Premiere in der Staatsoper: Raumschiff Schillertheater

Kabelsalat auf der Bühne der Staatsoper und zwei Musiker mittendrin: Für die Premiere von „Rein Gold“ haben zwei Berliner Musiker einen analogen Synthesizer gebaut. Sebastian Vogel und Thomas Kürstner komponieren und spielen mit der Staatskapelle Motive aus Richard Wagners "Ring der Nibelungen" zu einem Stück von Elfriede Jelinek.

Sebastian Vogel hat ein Kabel in der Hand. Er lacht, „das ist so typisch für mich“, sagt er. Ein Kabel ist für ihn das, was für andere Kollegen die Saiten oder die Tasten sind. Selbst wenn er gerade am Bühneneingang des Schillertheaters steht, wo die Staatsoper bis auf weiteres ausgelagert ist. Für das Stück „Rein Gold“, das am Sonntag hier Premiere feiert, hat der 42-Jährige gemeinsam mit Thomas Kürstner, 41, ein Instrument gebaut, das für Laien eher an die Schaltzentrale eines Raumschiffs erinnert: einen analogen Synthesizer. Damit werden sie zusammen mit dem Orchester der Staatsoper Motive aus Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“ spielen.

Auf einem drei Quadratmeter großen rollbaren Podest wird Technik zu Musik: Aus ihrem analoger Synthesizer, der aus zahlreichen einzelnen Modulen besteht erklingt ihre Wagner-Interpretation. Die Töne aus Oszillatoren und Filtermaschinenen verschmelzen und erzeugen einen Klang, der ungewohnt aber harmonisch für das Ohr ist. Höhen und Tiefen, Rauschen und Tonssprünge werden über Kabel und Verstärker zu einer Gesamtkomposition. Während der Aufführungen treten sie zu zweit sichtbar und live auf der Bühne auf und spielen alleine oder gemeinsam mit der Staatskapelle. Dieser wollen sie einen anderen Klang entgegensetzen.

Je nach Komposition stecken Vogel und Kürstner die Module anders zusammen. „Im Grunde genommen funktioniert ein handelsüblicher Synthesizer nach dem gleichen Prinzip, auch der besteht aus einzelnen Modulen“, erklärt Vogel. „Mit unserem Instrument können wir aber frei komponieren, eigenständige Klänge entwickeln und müssen nichts nachspielen.“ Eine Keyboardtaste für „Gitarren-Sound“ gibt es bei ihnen nicht.

Klassische Kompositionen mit elektronischem Sound

Was für den Laien aussieht wie ein riesiger Kabelsalat hat System: „Man muss schon einen gewissen Hang zu Physik und Elektrotechnik haben um das Instrument zu spielen“, sagt Kürstner, der mit 19 überlegt hatte ein Physikstudium zu beginnen. Das was er jetzt macht ist nicht weit davon entfernt. Die beiden Berliner Musiker spielen und komponieren schon seit 20 Jahren zusammen.

Bühnenbild. Der Synthesizer ist Teil des Stücks, die beiden Musiker bedienen ihn im Schillertheater – mit und ohne die Musiker der Staatsoper.
Bühnenbild. Der Synthesizer ist Teil des Stücks, die beiden Musiker bedienen ihn im Schillertheater – mit und ohne die Musiker der Staatsoper.

© promo

Kürstner, der in Charlottenburg wohnt und Vogel, der vor einigen Jahren ins Umland gezogen ist, haben gemeinsam ein Studio. Darin stapeln sich an die 100 Module, die sie sich aus der ganzen Welt zusammengekauft haben. Trotz der langjährigen Zusammenarbeit sind Wiederholungen in ihren Stücken ausgeschlossen: „Wir können unsere Töne nicht speichern und beginnen deshalb immer wieder bei Null“, erklärt Kürstner. Anders als man vermuten könnte, kommen die beiden nicht aus der Berliner Clubszene. „Wir sind fasziniert von der Elektro-Szene in Berlin, orientieren uns aber eher an Klassischer Musik“, sagt Vogel, „wir machen Neue Musik mit elektronischen Bauteilen.“

Mit einem so großen Orchester wie dem der Staatsoper sind die beiden allerdings noch nie aufgetreten. „Es ist schon kühn hier so etwas auszuprobieren“, sagt Kürstner. Ihr Instrument sei schließlich sehr launisch. „Die Töne, die wir in der Generalprobe spielen, können wir genauso bei der Premiere nicht wiederfinden“, sagt er. „Jeder Abend wird anders sein.“

Viel Stoff in drei Stunden: Jelinek, Wagner, Nibelungen

Die Launen ihres Instruments sind dem Regisseur des Stückes, Nicolas Stemann, zumindestens nicht unbekannt. Schon mehrere Stücke der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek haben die drei zusammen uraufgeführt. Auch „Rein Gold“ basiert auf einem gleichnamigen Essay Jelineks. Richard Wagners „Der Ring der Nibelungen“ ist dabei Jelineks musikdramatische Vorlage. In dem Stück wird der Dialog zwischen Göttervater Wotan, gespielt von Jürgen Linn, und seiner Lieblingstochter Brünnhilde (Rebecca Teem) in die Gegenwart übertragen. Immer wieder kommen die Dialoge zurück zu Jelineks Leitmotiv: Die Geburt des Kapitalismus und der Geist eines Erlöschungswahns.

Jelinek, Wagner, Nibelungen? „Stemann hat hier das Unmögliche möglich gemacht“, findet Kürstner. „Es ist ihm gelungen diese komplexen Arbeiten zusammenzuführen. Eigentlich bräuchte man fünf Tage für die Aufführung.“

„Rein Gold“ in der Staatsoper im Schillertheater hat am Sonntag, 9. März Premiere, für die Vorstellung um 18 Uhr gibt es noch Restkarten. Weitere Vorstellungen am 12. und 15. März, jeweils 19 Uhr, Karten ab 37 Euro. Mehr Infos unter: www.staatsoper-berlin.de.

Clara Billen

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