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Prenzlauer Berg: So entstand der Thälmannpark

Sprengung vor dem Aufbau: Vor 25 Jahren wurde der Thälmannpark eröffnet. Eberhard Klöppel hat die Entstehung auf Fotos festgehalten – und Stadtgeschichte geschrieben.

Es war nur ein Moment. Ein Knall. Wolken von weißem Staub. Und vorbei. Der Fotograf hatte vielleicht zehnmal auf den Auslöser gedrückt, damals, am 28. Juli 1984, als sie den Gasometer an der Dimitroffstraße gesprengt haben und das kreisrunde Colosseum von Prenzlauer Berg in sich zusammenfällt. Eberhard Klöppel hockt ganz oben am Fenster einer Wohnung an der Greifswalder Straße, der Schuss aus seiner Kamera trifft ein von Sprenglöchern durchsiebtes Gebäude, das aus allen Poren qualmend zugrunde geht und die filigrane, gewölbte Dachkonstruktion mit sich in die Tiefe reißt.

Der große, von Pappeln umsäumte Gasbehälter und seine zwei Geschwister, die Kohlebunker, die Schornsteine – tatsächlich waren die sichtbaren Zeichen des 1873 erbauten Gaswerks am Rande des S-Bahn-Rings zwischen den Stationen Greifswalder Straße und Prenzlauer Allee mittlerweile anachronistisch geworden. Wer in der Nähe der Dreckschleuder wohnte, konnte seine Wäsche nicht im Freien trocknen, und der Gasgeruch verfolgte ihn bis in den Schlaf. 1981 war das Gaswerk stillgelegt und die Versorgung auf Erdgas umgestellt worden. Und nun sollte auf dem Gelände ein Wohngebiet entstehen, der Thälmannpark mit mehr als 1300 Wohnungen, einem Kulturhaus und einem Planetarium. Fünf Jahre später - zum hundertsten Geburtstag des von den Nazis ermordeten KPD-Führers Ernst Thälmann 1986, wurde das Viertel offiziell übergeben.

Ärger um den Auftrag für Lew Kerbel

Zum Ärger Ost-Berliner Künstler erhielt der sowjetische Bildhauer Lew Kerbel den Auftrag für ein monumentales Thälmann-Denkmal. Und er, der auch für den gewaltigen Karl-Marx-Kopf („Nischel“) im heutigen Chemnitz verantwortlich war, wollte keine alten Gasbehälter im Hintergrund seines bombastischen 14 Meter hohen Bronze-Thälmann. Natürlich bekam der Künstler aus dem Land des großen Bruders recht. Zur Begründung für den Abriss der drei 30 Meter hohen, runden Gebäude hieß es plötzlich, das ganze Gebiet sei mit Schadstoffen verseucht. Und nun regte sich Bürgerprotest, Flugblätter („Gasometer sprengt man nicht!“) verunsicherten die Staatsmacht. Ergo: Sprengt schneller, Genossen. Abschied. Und Neubeginn. All das hat Klöppel über die Monate und Jahre mit seinen Objektiven verfolgt und bewahrt. Der Bildreporter der „Neuen Berliner Illustrierten“ (NBI) wurde mit seinem Langzeitprojekt zum Chronisten einer Stadtlandschaft mit all ihren Widersprüchen: Erst die redlichen Arbeiter, wie sie mit ihrem maroden, abgewirtschafteten Eigentum sorgsam und pflichtbewusst umgingen, dann die Metamorphose eines Geländes, das die Vergangenheit vergessen machen möchte, um mit Hochhäusern die Zukunft zu erobern – und schließlich die Leute aus dem alt- neuen Kiez, selbstbewusste, nachdenkliche, fröhliche Menschen, Typen, die Prenzlauer Berg ein Gesicht gaben und die der Fotograf voller Lust für das Besondere in ihrer Umgebung porträtierte.

Klöppl war für die Ilustrierte NBI im In- und Ausland unterwegs

Zehn Jahre Thälmannpark, von 1978 bis 1987, das waren für Klöppels „Nebenbeschäftigung“ – denn hauptsächlich war er für seine NBI aktuell im In- und Ausland unterwegs – „Gaswerk, Abriss und neues Leben“. „Ich suchte immer wieder die Nähe zu den Leuten, und es war ideal, dass sie einen akzeptiert haben, du gehörtest einfach dazu, die Kamera störte keinen“, sagt der heute 70-jährige Fotoreporter mit dem schnellen Blick und der feinen, zurückhaltenden Gabe der Beobachtung. Eine ehemalige Kollegin, die Schriftstellerin Brigitte Biermann, würdigt Klöppels Neugier auf die Menschen und ihr Umfeld mit einem famosen Vorwort zu dem Foto-Buch „Berlin – Ecke Greifswalder“, das jetzt erschienen ist: Gelebte Geschichte in Schwarz-Weiß.

Lehmstedt-Verlag, 176 Seiten, 154 Fotografien, 24,90 Euro

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