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Oekohaus

© Mike Wolff

Prenzlauer Berg: Wachschutz für Ökohaus nach Brandanschlag

Als Familien wollen sie im Kiez ihren Traum verwirklichen – ihr Mehrgenerationenhaus in Prenzlauer Berg wurde jetzt Ziel eines Anschlags. Dass ausgerechnet ihr Projekt ins Visier möglicher Linksextremisten geraten ist, können die Mitglieder der Baugruppe nicht nachvollziehen.

Das kann teuer werden. Helene Anders, 37, steht vor dem Rohbau in der Thaerstraße/Ecke Zur Börse in Prenzlauer Berg und schaut verzweifelt auf die Plastikplanen, die im Wind flattern. „Wir haben nachts einen Bewacher engagiert“, sagt sie. „Außerdem haben wir eine Kamera installiert, Warnschilder aufgehängt und Scheinwerfer am Gerüst angebracht.“

Nötig sind all diese Sicherheitsvorkehrungen, weil am vorigen Wochenende Unbekannte einen Brandsatz gegen die Fassade geworfen haben. Die Polizei schließt einen linksextremen Anschlag nicht aus; immerhin hat es in den vergangenen zwei Wochen während der linksradikalen „Action weeks“ 116 Anschläge auf Gebäude und Autos gegeben. Doch die Täter haben ausgerechnet ein Öko-Bauprojekt getroffen, noch dazu ein Mehrgenerationenhaus. Diese Zielgruppe dürfte so gar nicht dem Feindbild der Linken entsprechen.

„Das ist ganz schön frustrierend“, sagt Helene Anders. Sie ist eine der Mitinitiatoren des Öko-Bauprojekts „Zur Börse“, ein „Kernbaugruppen-Mitglied“, wie sie sagt. Die Anwältin will mit ihrem Mann, den drei Kindern und 30 anderen Familien im kommenden Frühjahr in das energieeffiziente Haus einziehen. Dass ausgerechnet ihr Projekt ins Visier möglicher Linksextremisten geraten ist, die sich mit ihren Anschlägen gegen „kapitalistische Stadtumstrukturierungen“ und Reiche wenden, können die Mitglieder der Baugruppe nicht nachvollziehen. „Wir sind alle keine Wohlhabenden, sondern haben uns das Ganze auch nur über Kredite bei der Umweltbank finanziert“, erklärt sie.

"Viele von uns haben nicht mal ein Auto - aus ökologischen Gründen"

Wir – das war anfangs in erster Linie ein Kreis von Freunden, die gemeinsam und selbstbestimmt zusammen leben wollten, „und zwar in coolen Wohnungen, die wir selbst gestalten“, sagt sie. Eine Idee, wie sie im Grunde auch die Bewohner vieler linker Wohnprojekte in Kreuzberg oder anderen Bezirken teilen. Aus der kleinen Kerngruppe wurden bald 30 Leute: Viele Schwangere, Mütter mit kleinen Kindern, Familien mit schon größeren Kindern sowie Rentner – zwei von ihnen sind auf den Rollstuhl angewiesen und wollten eine behindertengerechte Wohnung. Die einzelnen Wohneinheiten, die auf drei Gebäude verteilt sind, reichen von 48 bis zu mehr als 200 Quadratmetern – je nach Bedarf. Das Haus heißt Passivhaus, da es im Grunde keine eigene Heizung braucht, denn es sei so gut gedämmt. Wenn es mal richtig kalt wird, dann machten es sich die Familien per Geothermieheizung kuschelig, also mit aus der Erde durch Rohre hochgepumpter Wärme.

Die meisten der Initiatoren seien in der DDR aufgewachsen und wohnen seit langem in Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Knapp ein Drittel der künftigen Ökohaus-Bewohner wird aus dem Bundesgebiet hierher ziehen, zwei Familien kommen aus Dänemark und Holland. „Viele von uns haben nicht einmal ein Auto. Aus ökologischen Gründen“, sagt Anders. Auch ein Bio-Bauer sei mit in der Gruppe. „Wir machen doch im Grunde auch nichts anders als die Linksautonomen in ihren selbstverwalteten Hausprojekten“, sagt sie. „Nur, dass wir das Grundstück mit legalen Mitteln beschafft haben und keine bunten Transparente aus den Fenstern hängen.“

Verhängnisvolles Missverständnis?

Für etwas über eine Million Euro hat der Senat das zuvor ungenutzte Grundstück verkauft. Es liegt im Entwicklungsgebiet Alter Schlachthof, an der Schnittstelle von Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg-Hohenschönhausen. Hier, auf dem circa 50 Hektar großen Gelände des ehemaligen „Central Vieh- und Schlachthofes Berlin“ soll peu à peu ein neues Stadtquartier entstehen.

Wer weiß, vielleicht haben die Brandstifter auch nur auf das Bauschild geachtet, und aus dem Namen „Bauprojekt Zur Börse GbR“, geschlossen, dass es sich um Kapitalisten handeln könnte, die hier ein neues Quartier suchen. „Wir haben wahnsinnig Glück gehabt, dass nicht mehr passiert ist“, sagt Helene Anders. Es hätte auch schnell der ganze Rohbau abbrennen können, wenn nicht Anwohner gerade rechtzeitig die brennende Plastikplane entdeckt und sofort die Feuerwehr alarmiert hätten. 

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