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Berlin: Prioritäten

Elisabeth Binder über die Segnungen des französischen Lebensstils Wenn man vor zwanzig Jahren in einem Berliner Lokal Wein bestellte, kam, wenn man Glück hatte, die Frage: „Rot oder weiß?" Wie in der PommesBude.

Elisabeth Binder über die Segnungen des französischen Lebensstils

Wenn man vor zwanzig Jahren in einem Berliner Lokal Wein bestellte, kam, wenn man Glück hatte, die Frage: „Rot oder weiß?" Wie in der PommesBude. Heute gehört es auch in preiswerteren Kneipen zum guten Ton, Sauvignon Blanc, Sancerre oder Pinot Noir richtig auszusprechen.

An Klischees ist immer auch was Richtiges. In den Augen der Franzosen, die eine lange Tradition darin haben, ihre Sinne mit raffinierten Genüssen zu verfeinern, wirkten die Deutschen oft unkultiviert. Wer den Tugenden Ordnung und Sparsamkeit frönt, bringt es fertig, ein frisches Brot hart werden zu lassen, während er zuerst den alten Kanten aufzehrt. Und das vielleicht nur, um die Pfennige, die er sich über Jahre vom Munde abspart, am Ende in ein möglichst fettes Auto zu investieren. Es sind ja nicht nur die Geschmacksnerven, die in Frankreich eher gehätschelt wurden: Ob Parfum oder Eau de Toilette, beide tragen französische Namen. Dior, Givenchy sind Synonyme für Eleganz.

Lebensstil mag heute überall Lifestyle heißen. Aber die Haltung, dass Genuss kein Laster, sondern eine Chance ist und die Freude an Äußerlichkeiten nicht oberflächlich sein muss, kommt ursprünglich aus Frankreich. Die Sehnsucht nach dieser Art von Stil ist alt, schlag nach bei Friedrich dem Großen. In den letzten Jahrzehnten ist das Wunder auch auf breiter Ebene geschehen: Parfums sind aus dem Alltag nicht wegzudenken, Schick macht erfolgreich. Den Gaumen muss man nicht nur abhärten, man darf ihn auch amüsieren. So sind die meisten von uns in ihren Prioritäten ein bisschen französischer geworden. Und leben nicht schlecht dabei. Vielleicht besser als Gott in Preußen.

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