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Berlin: Private Stadtführung: Mit Apoll ab durch die Mitte

Olaf Rauschenbach fällt auf, wie er da steht vor dem eingeschneiten Denkmal Friedrichs des Großen, dem "alten Fritz". Für heute hat er extra seine dunkelblaue Droschkenkutscher-Hose herausgekramt, die an den Schenkeln beult.

Olaf Rauschenbach fällt auf, wie er da steht vor dem eingeschneiten Denkmal Friedrichs des Großen, dem "alten Fritz". Für heute hat er extra seine dunkelblaue Droschkenkutscher-Hose herausgekramt, die an den Schenkeln beult. Dazu trägt er schwarze, fast kniehohe Stiefel mit Ösen an der Seite. Privat läuft der 31-jährige Schauspieler nicht so herum, aber diesmal ist er wieder "dienstlich" unterwegs, denn Olaf Rauschenbach bietet private Stadtführungen durch Berlin an: "Apollon - göttliche Unterhaltung" nennt er sie. Während andere Touristen sich in Doppeldeckerbussen durch die Gegend kutschieren lassen und von der monotonen Stimme des Stadtführers auf die Sehenswürdigkeiten hingewiesen werden, ("links sehen Sie das und das, rechts erblicken Sie den soundso"), verfolgt Rauschenbach ein anderes Konzept. Die Tour macht er per pedes, weil man da viel mehr sieht. Das Besondere: Rauschenbach verbindet "historische Schauplätze mit Literatur, die aus dieser Zeit stammt oder einen sinngemäßen Bezug dazu hat" - er deklamiert Texte vor Gebäuden und Denkmälern.

Die achtköpfige Gruppe, die sich heute ein Stück Berlin nähern möchte, wartet bibbernd bei klirrender Kälte vorm Denkmal "Alter Fritz". Rauschenbach zitiert dazu einen Fontane-Text. "Ein patriotischer Text, der eigentlich peinlich ist, aber genau hier hinpasst", sagt Rauschenbach. Dazu reicht er jedem aus der Gruppe einen Ordner mit Fotos. Die Mappe gehört zur Führung dazu, genauso wie der kleine Monitor mit integriertem Videogerät. Auf ihm spielt der Stadtführer passend zum Thema bewegte Bilder ab - nur heute nicht. Die Kälte setzt das Gerät außer Gefecht. Auf dem Bebelplatz erzählt Rauschenbach von der Staatsoper, die nur einmal im Jahr gebraucht wurde, "nämlich zum Karneval", er parliert über die St. Hedwigs Kirche und zur königlichen Bibliothek zitiert er wieder mal ein Textchen: aus Schillers "Kabale und Liebe". Brust raus, Hände in die Hüften: Rauschenbach spricht laut und deutlich, wie es sich für einen richtigen Schauspieler gehört. Obwohl die meisten aus der Gruppe das Gefühl haben, dass ihnen so einiges abfriert, halten sie durch. Auf die Vortragskünste des Künstlers wollen sie nicht verzichten, zumal er die witzig und mit Schmackes darbietet. So, wie an der Gedenkstätte in der Neuen Wache. Dort thront die "Pieta" von Käthe Kollwitz. "Das ist nicht die Original-Plastik", gibt der Stadtkenner mit der runden Goldrand-Brille und dem neckischen Grinsen zu bedenken, "auf Drängen von Helmut Kohl wurde die Figur aufgeblasen. Die Plastik hier ist viel größer als das Original, vielleicht weil die Körpermaße der kleineren Figur und die von Helmut Kohl nicht harmoniert hätten."

Im April ist Rauschenbach auf "Arte" im Doku-Drama "Jud Süß" zu sehen, zuletzt spielte er bei den "Wühlmäusen" einen Scharfrichter im Stück "Greife Wacker nach der Sünde". Die Führungen macht er, "weil ich Spaß daran habe, leben kann ich davon nicht." Mehr Spaß macht das Ganze zwar, wenn der Mund nicht klamm vor Kälte wird. Doch ein Stadtindianer kennt keinen Schmerz.

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