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Berlin: Privatisieren und trotzdem sparen

Die Berliner wissen bereits, wie sich die Spirale dreht: Erst geht es munter nach oben, die Geldquellen scheinen schier endlos zu sprudeln. Das verleitet Politik dazu, immer neuen Wohltaten zu verteilen.

Von Antje Sirleschtov

Die Berliner wissen bereits, wie sich die Spirale dreht: Erst geht es munter nach oben, die Geldquellen scheinen schier endlos zu sprudeln. Das verleitet Politik dazu, immer neuen Wohltaten zu verteilen. Was nicht sofort aus der Steuerkasse bezahlt werden kann, wird sorglos kreditfinanziert. Dann dreht sich der Spieß um, die Einnahmen der öffentlichen Kassen sinken. Doch die Politik besitzt im Allgemeinen nicht den Mut, im gleichen Maße die Ausgaben zu drosseln. Es versteht sich, dass unverhoffte Privatisierungserlöse dem Finanzminister immer willkommen sind in solch schweren Haushaltszeiten. Allein, der Abwärts-Weg auf der Schulden-Spirale kann so nicht gebremst werden. Wie schwer es ist, standhaft zu bleiben, hat die letzte Finanzsenatorin in Berlin, Annette Fugmann-Heesing, bereits erfahren: Ihre eigene Partei - die SPD - mobbte sie aus dem Amt.

Finanzminister Hans Eichel steht jetzt im Bund vor einem vergleichbaren Haushalts-Problem wie zuvor Fugmann-Heesing in Berlin. Auch Eichel wird von den Ministerkollegen auf der Regierungsbank bedrängt, mit Erlösen aus dem Verkauf von so genanntem Tafelsilber Haushaltslöcher zu stopfen. Allzu schwer fällt es den Etatverantwortlichen, das im vergangenen Jahr festgelegte Sparpaket mit einem Konsolidierungsbetrag von 25 Milliarden Mark umzusetzen. Sparen, wo doch die zweite Privatisierungstranche der Telekom, der Verkauf von bundeseigenen Postanteilen oder die Veräußerung von UMTS-Mobilfunk-Lizenzen ins Haus steht? Hans Eichel kommt immer mehr in Erklärungsnot. Die gute konjunkturelle Entwicklung, in jeder anderen Hinsicht willkommen, erweist sich für den Bundsfinanzminister als zusätzliches Argumentationshemmnis. Prophezeien doch alle wirtschaftswissenschaftlichen Institute, dass die Unternehmen in den kommenden Jahren mehr Steuern zahlen werden, als die Haushälter veranschlagt haben. Sollte Eichel den Ministern angesichts solch rosiger Steuerzeiten ein wenig Luft bei der Kürzung der Etats verschaffen? Die Antwort kann nur heißen: Nein. Abgesehen davon, dass sich Deutschland dem europäischen Stabilitätsprogramm verpflichtet hat, erhält der Bundeshaushälter jetzt die Chance zur Konsolidierung. Sprudelnde Steuerquellen aus einer belebten Konjunktur könnten helfen, die Defizite in diesem (49,5 Milliarden Mark) und im kommenden (46 Milliarden Mark) Jahr zu senken und das selbstgesteckte Ziel der Reduzierung der Nettoneuverschuldung auf Null bis zum Jahr 2006 zu erreichen. Erstmals seit langer Zeit hat ein deutscher Finanzminister wieder die Gelegenheit, der Politik finanzielle Gestaltungsspielräume zu verschaffen. Er sollte sie nicht verspielen.

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