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Berlin: Pro Sozialhelfer rund 95 Problemfälle

Im Spandauer Kinderkrisendienst fehlt Personal Mitarbeiter beklagen zu hohen Verwaltungsaufwand

Wegen der drastisch verschlechterten Personalsituation sei der Kinderschutz in Spandau gefährdet, so schrieben jetzt Mitarbeiter des Krisendienstes und des Regionalen Sozialen Dienstes im bezirklichen Jugendamt in einem Brandbrief an Bezirksbürgermeister Konrad Birkholz (CDU). Doch auch dieser hat sich bei Finanzsenator Ulrich Nussbaum (parteilos) vergeblich um die Bewilligung weiterer Stellen bemüht.

Der Krisendienst ist unter anderem für Vernachlässigungs- und Missbrauchsfälle zuständig. „Die Stimmung der Kollegen ist auf einem noch nie dagewesenen Tiefpunkt“, heißt es in dem Schreiben. Seit Jahren würden die Betroffenen ihre Lage in Überlastungsanzeigen beschreiben. Die erhebliche Mehrbelastung führe zu krankheitsbedingten Ausfällen mit zum Teil schwerwiegenden Diagnosen wie dem Burn-out-Syndrom. Mitarbeiter würden sich wegbewerben oder nach kürzester Zeit wieder kündigen.

Auch die Zunahme des Verwaltungsaufwands wird beklagt. Immer neue Arbeitsanweisungen, deren Sinn nicht mehr zu erkennen sei, stifteten Verwirrung, umfangreiche Prüfverfahren erschwerten die Einleitung von Jugendhilfeleistungen massiv. „Die Bearbeitungszeiten werden länger, Kostenübernahmen bleiben liegen, Beschwerden häufen sich.“ Die Sparvorgaben seien unter Umständen nicht mit den gesetzlichen Ansprüchen der Bürger in Einklang zu bringen.

Wegen eines Haushaltslochs von gut elf Millionen Euro steht der Bezirk unter vorläufiger Haushaltswirtschaft und muss sich alle Ausgaben vom Finanzsenator genehmigen lassen. Ein Großteil des Defizits entstand in der vom Personalmangel betroffenen Abteilung des Jugendamtes. Bei den Ausgaben für die stationäre Hilfe zur Erziehung ist Spandau seit Jahren Spitzenreiter. Mit 132 Euro pro Fall und Tag lag man auch 2009 deutlich über dem Berliner Durchschnitt von 119,42 Euro. Jugendstadträtin Ursula Meys (SPD) begründet das mit dem hohen Anteil von Jugendlichen aus „Multiproblemfamilien“, die bei intensiver Betreuung untergebracht werden müssen. Jetzt hat sie ein zentrales Management eingeführt, von dem alle Fälle geprüft werden, die nach der Erstberatung teurer als 110 Euro pro Tag werden könnten. Neun der rund 60 Planstellen sind unbesetzt, bestätigt die Stadträtin. Die Akten von Kollegen, die in den Ruhestand getreten sind oder das Amt verlassen haben, müssen auf die verbliebenen Sozialarbeiter verteilt werden. Auf jeden Mitarbeiter kommen rund 95 Fälle. Weil in der Berliner Verwaltung keine geeigneten Überhangkräfte zur Verfügung stehen, hat der Bezirk beim Finanzsenator die Außeneinstellung von fünf Sozialarbeitern beantragt, aber nur zwei bewilligt bekommen.

Eigentlich dürfe Spandau wegen der selbst verschuldeten Haushaltssperre überhaupt keine Außeneinstellungen vornehmen, sagte die Sprecherin des Finanzsenators, Kathrin Bierwirth. Wegen der Wichtigkeit des Bereiches habe man dennoch zwei Stellen genehmigt. Jetzt sei es Sache des Bezirks, ein Konsolidierungskonzept vorzulegen.

Konrad Birkholz kritisiert, das ausgerechnet hier das fehlende Personal nicht genehmigt wird. Es sei klar zu erkennen, dass das Spandauer Defizit nicht durch allgemeine schlampige Haushaltsführung im Bezirks- oder auch nur im Jugendamt verursacht wurde, sondern nur in einem Problembereich dieser Abteilung. „Nur dort ist das Loch und da fehlen die fünf Leute“, sagt der Bürgermeister. In einem Brief an Finanzstaatssekretärin Iris Spranger hat er nochmals um Bewilligung der Einstellungen gebeten, eine Antwort blieb bisher aus. Rainer W. During

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