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Pro & Contra: Darf das Mahnmal am Bebelplatz überdeckt werden?

Am 10. Mai 1933 verbrannten die Nazis Bücher auf dem Platz. Heute erinnert ein in den Boden eingelassenes Mahnmal an die Bücherverbrennung. Das Zelt der Fashionweek steht direkt über diesem Ort des Gedenkens. Darf das Festzelt dort stehen oder nicht?

Pro

Warum sollte es dem Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung schaden, wenn rundum auf dem Bebelplatz viel los ist? Das Denkmal zieht doch auf diese Weise noch mehr Aufmerksamkeit auf sich. Es ist während der Fashion Week ja auch nicht unzugänglich – die Veranstalter haben eine Infotafel aufgestellt und ihr Zelt mit einem Extra-Eingang zum Mahnmal versehen.

Das Modefestival ist nicht die erste große Veranstaltung an dieser Stelle: Die Staatsoper lädt im Sommer gern zu Freiluftübertragungen ihrer Aufführungen ein. Und im Herbst 2006 trafen sich 112 Prominente, Künstler und Menschenrechtsaktivisten auf dem Platz: Beim Projekt „Dropping Knowledge“ saßen sie am größten runden Tisch der Welt, wo sie zu politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung nahmen. Schirmherr der international beachteten Aktion war Außenminister Steinmeier.

In diesem Sommer plant der Hotel- und Gaststättenverband ein Gourmetfestival mit Sterne-Köchen. Es geht also um würdige Nutzungen und nicht um Rummel. Ein Gedenkort muss auch nicht notwendig von Stille umgeben sein, wie das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas nahe dem Brandenburger Tor beweist. Den symbolisierten Bücherkeller am Bebelplatz sieht man ohnehin nur, wenn man darüber steht; ob im Freien oder im Zelt, macht praktisch keinen Unterschied. (Cay Dobberke)

Contra

Das Denkmal für die Bücherverbrennung gehört zu den – im wahrsten Wortsinn – schwer zugänglichen Erinnerungsorten. Man muss es schon sehen wollen, sonst geht man (im Wortsinn) darüber hinweg. Gerade seine Unauffälligkeit gebietet es, dieses Denkmal vor allem in Schutz zu nehmen, was es auch nur für kurze Zeit unsichtbar macht. Jetzt ist es ein Zelt für die Modemesse, das für ein paar Tage wichtiger sein will als die Erinnerung an eine typische Nazi-Schandtat.

Ein paar Tage Feiern, ganz in der Gegenwart, ein paar Sektchen auf die Schönheit der Verpackungskunst, wo doch Berlin gerade wieder so schön in Mode ist? Das geht auch anderswo in der Stadt, Berlin hat immer noch erfreulich viele Brachen; niemand braucht dazu den Bebelplatz. Es hat einen fiesen Zug, den Blick auf die leeren Regale zu verstellen, weil sich verbrannte Bücher und tote Autoren weder aufregen noch wehren über diese zeitgemäße Vergesslichkeit.

Die leeren Regale wollen im Kopf gefüllt werden, sie sagen, was es heute zu lesen gäbe, wenn die Nazis (wie in „Vaterland“ von Robert Harris) an der Macht geblieben wären. In Berlin bildet man sich doch zu Recht gern und viel auf die vielen Geschichtsschichten der Stadt ein. Wie kann man eine dann einfach zum Verschwinden bringen? Gibt es bei der Internationalen Biermesse ein Zelt der Zecher am Checkpoint Charlie? (Werner van Bebber)

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