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Pro und Contra: Das Geschäft mit der Armut

Gemeinnützig, effizient – und höchst profitabel: Die Affäre um die Treberhilfe wirft die Frage auf, wie gewinnorientiert soziale Träger sein sollen. Ein Pro & Contra

Förderung der Selbstständigkeit, Hilfen bei Obdachlosigkeit, Betreuung von Straßenkindern, Beratung junger Mütter, Wohnprojekte für HIV-Infizierte, Erziehungshilfen für Eltern... diese Liste ließe sich bis zum Verdruss fortsetzen. Es gibt eine fast unerschöpflich große Zahl sozialer Hilfsprojekte in Berlin. Dafür gibt die Stadt jedes Jahr rund 2,5 Milliarden Euro aus. Ein Teil dieser gigantischen Transfersumme geht an die sogenannten freien Träger, mehr als 1000 gibt es in der Stadt, darunter viele kleine Vereine, große Stiftungen und gemeinnützige Unternehmen wie die Treberhilfe des ehemaligen Maseratifahrers Harald Ehlert.

Angefangen hat Ehlert in einem Ladenlokal mit ein paar Betten für drogenabhängige Treber im Hinterzimmer. 20 Jahre später ist daraus ein florierendes Sozialunternehmen geworden, mit einem Jahresüberschuss von mehr als einer Million Euro. Viele Vereine haben solche gemeinnützigen Gesellschaften gegründet, um die Vereinsvorstände vor finanzieller Haftung zu schützen. Als Unternehmer fühlen sie sich deshalb noch lange nicht. Ehlert tickt anders. Die Treberhilfe hat er auf Effizienz getrimmt, die Mitarbeiter in Sachen Ökonomie und Mitarbeiterführung geschult und Aufgabenbereiche voneinander getrennt. Die Obdachlosen heißen Klienten, das Hereinholen neuer Aufträge wird intern als „Vertrieb“ bezeichnet. Es ist von Marktanteilen und Cashflow die Rede – so wie unter Managern des freien Wirtschaftslebens. Nicht die Philanthropie regiert, sondern die Kostenstruktur.

Dieses unternehmerische Gebaren kommt den ständig klammen Sozialkassen der Bezirke sehr entgegen. So können die Tagessätze für bestimmte Leistungen sinken. Freie Träger bezahlen ihre Leute oft deutlich schlechter als im öffentlichen Dienst. Insider sprechen von bis zu einem Drittel weniger Gehalt. Die Lohnspirale weist nach unten wie in vielen anderen Sektoren der freien Wirtschaft. Wer krankfeiert oder im Schneckentempo arbeitet, kann bei einem freien Träger schnell seinen Job verlieren, zu Not gegen Abfindung.

Die Treberhilfe ist nicht das größte Sozialunternehmen der Stadt. Das Nachbarschaftsheim Schöneberg, ein gemeinnütziger Träger zur „Förderung des gesundheitlichen und sozialen Wohlbefindens der Bevölkerung“, bringt es auf einen Jahresumsatz von etwa 25 Millionen Euro, mit rund 700 festen Mitarbeitern. Geschäftsführer Georg Zinner fährt zwar keinen Maserati, er hat überhaupt keinen Dienstwagen, aber unternehmerisches Handeln und Effizienz findet er wichtig. „Gemeinnützigkeit und Effizienz vertragen sich gut miteinander“, meint Zinner.

Das Nachbarschaftsheim erzielt Überschüsse aus dem laufenden Geschäft, als „Rücklage“ wird das bis zu einem bestimmten Betrag vom Finanzamt anerkannt. Wird zu viel Geld aufgehäuft, muss es reinvestiert werden, „für eine bessere Infrastruktur“, sagt Zinner. In seinem Fall bedeutet es, Kitas zu renovieren oder Schulen für die Nachmittagsbetreuung auszustatten. Zinner würde sich wünschen, dass viel mehr freie Träger unternehmerisch denken und sich ein finanzielles Polster schaffen. „Das gibt auch mehr Sicherheit für die Mitarbeiter.“

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