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Was kommt zukünftig in Berliner Schulen auf den Tisch - und vor allem: Was kostet es?

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Pro und Contra: Aufgetischter Nachschlag beim Schulessen

Soll das Land die Hälfte des Schulessens bezahlen? Oder soll es eine einkommensabhängige Staffelung geben? Zum Thema Schulessen gibt es verschiedene Meinungen - hier ein Pro und ein Contra.

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Das Ziel ist klar: Möglichst viele Berliner Schüler sollen ein möglichst hochwertiges und dennoch bezahlbares Mittagessen angeboten bekommen. Wie diese Aufgabe zu bewältigen ist, darüber muss die große Koalition in den kommenden Wochen entscheiden. Die Zeit drängt, denn die Entscheidung hat Auswirkungen auf den Berliner Doppelhaushalt 2014/15, der jetzt verhandelt werden muss. Außerdem wollen die Caterer eine Perspektive. Sie sind wegen steigender Lebensmittelpreise nicht mehr lange bereit, für zwei Euro im Schnitt das Essen aufzutischen. Und auch viele Eltern, Lehrer und Schüler sind es leid, sich mit dem Billig-Essen zu arrangieren.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) schlägt vor, dass das Land seinen Zuschuss zum Schulessen von zehn auf 19 Millionen Euro fast verdoppelt, um die Qualität des Schulessens zu verbessern. Dieser Betrag reicht aber nur dann aus, wenn die Grundschuleltern rund 70 Prozent der Gesamtkosten tragen, wie es der Senat vorschlägt. Das wären dann etwa 37 Euro im Monat. Außerdem müssten die Oberschuleltern weiterhin alles selbst bezahlen, was – abzüglich der Ferienzeiten – im Schnitt auf etwa 50 Euro pro Monat hinausliefe.

Ob das zu viel ist oder aber durchaus bezahlbar, darüber wird gestritten. Um die Eltern zu entlasten, kursieren im Abgeordnetenhaus drei Varianten: erstens eine einkommensabhängige Staffelung der Elternbeiträge; zweitens eine Subventionierung auch für Oberschuleltern und drittens eine Aufteilung der Kosten zwischen Eltern und Land jeweils zu Hälfte anstatt der vom Senat gewollten 70:30-Aufteilung.

Eine vollständige Finanzierung der Mittagsmahlzeit durch das Land wird von keiner Fraktion gefordert. Es gab sie übrigens nicht einmal in der DDR, wo zuletzt rund 2,75 Mark pro Woche zu zahlen waren. An den alten Bundesländern kann man sich kaum orientieren, weil es dort keine Ganztagsschultradition gab. Sie muss erst noch wachsen.

Alle Kommunen suchen für sich jetzt eigene Wege, um mit der neuen Aufgabe umzugehen. Hamburg etwa staffelt den Essensbeitrag je nach Einkommen: Dort zahlen die Eltern 20, 40, 60, 80 oder 100 Prozent des Essenspreises, der 3,50 Euro nicht übersteigen soll. Die Staffelung erfolgt analog zur Hamburger Hortgebühr-Tabelle. In Berlin gibt es allerdings nicht nur fünf, sondern 21 Gehaltsstufen, an denen sich der Hortbeitrag bemisst.

Und noch einen Unterschied gibt es zu Hamburg: Dort gibt es insgesamt ein höheres Einkommensniveau und weniger Hartz-IV-Empfänger. Letztgenannte müssen in Hamburg – an allen Schulformen – überhaupt nichts für das Schulessen zahlen, während sie in Berlin einen Euro pro Mahlzeit dazugeben müssen. Der Rest kommt vom Bildungs- und Teilhabepaket.

Das Pro von Susanne Vieth-Entus

"Ein voller Bauch studiert nicht gern“, heißt es. Ein leerer aber auch nicht. Es ist völlig indiskutabel, Heranwachsende ganztags lernen zu lassen, ohne sie mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen. Deshalb muss alles getan werden, um diese Versorgung sicherzustellen. Dazu gehört nicht nur, dass das Essen lecker, ansehnlich und gesund ist. Dazu gehört auch, dass der Elternbeitrag nicht höher sein darf als das, was Eltern zu Hause für ein selbst gekochtes Essen ausgeben. Das aber ist der Fall, wenn sie 70 Prozent der Caterer-Kosten an den Grundschulen und sogar 100 Prozent an den Oberschulen tragen müssen.

Das Land sollte davon absehen, eine abschreckende Kostenverteilung für das warme Schulessen zu beschließen. Es sollte als Partner vor die Eltern treten und sagen: Wir alle wollen, dass unsere (Landes-)Kinder ein Essen bekommen und deshalb teilen wir uns die Kosten – halbe-halbe. Auf diese Weise ergäbe sich ein Preis, der Eltern nicht abschreckt, und der deshalb auch keinen Vorwand böte, die Kinder lieber zum nächsten Fastfood-Anbieter zu schicken. Und das ist wichtig. Nicht nur wegen der Gesundheit, sondern auch wegen der Atmosphäre, denn zu einem guten Miteinander gehören – genau wie in der Familie – gemeinsame Mahlzeiten.

Kluge Schulleiter versuchen, alle für diese Erkenntnis zu gewinnen. Die Politik sollte ihnen keine Steine in den Weg legen, indem sie das Essen verteuert. Und wenn es erschwinglich bleibt, braucht man auch keine teure Bürokratie für eine umständliche Einkommensstaffelung beim elterlichen Beitrag.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Eltern sich schämen sollten.

Das Contra von Ulrich Zawatka-Gerlach

Einige Eltern sollten sich schämen. Sie feilschen um 14 Euro monatlich, die sie für das Essen ihrer Kinder ab dem nächsten Jahr mehr zahlen sollen. Nämlich 37 statt 23 Euro. Das sind nicht einmal 50 Cent pro Tag, die das Familienbudget zusätzlich belasten. Jene Mütter und Väter, die sich trotzdem aufregen, gehören auch nicht zu den Bedürftigen, die weiterhin nur einen Euro monatlich für das Schulessen bezahlen müssen. Es sind Normal- und wohl auch Besserverdienende, die jetzt um Peanuts streiten.

Die lächerliche Größenordnung des Konflikts zeigt folgendes Rechenbeispiel: Für 37 Euro im Monat könnten Eltern ihren Kindern an jedem Schultag nicht einmal einen satt machenden Billig-Burger spendieren. Stattdessen verhilft der Staat mit einer weiterhin 30-prozentigen Subventionierung des Schulessens den Kindern zu einer warmen Mahlzeit (künftig hoffentlich in besserer Qualität) und die Eltern sparen ordentlich Geld für ein tägliches Mittag- oder Abendessen, dass sie dem Nachwuchs ohne die Schulmahlzeit zubereiten müssten.

Könnte es vielleicht sein, dass hier nur ein Streit um sinnentleerte Prinzipien vom Zaun gebrochen wurde? Etwa um die Frage, ob die öffentliche Förderung des Mittagessens für schulpflichtige Kinder 30 oder 50 Prozent betragen muss. Möglicherweise nach Gehaltsgruppen gestaffelt, die mit hohem bürokratischen Aufwand individuell ermittelt werden. Jetzt fehlt eigentlich nur noch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.

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