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Pro & Contra: Schulfrei für den Papstbesuch?

Etwa 8000 katholische Schüler haben am Tag des Papstbesuches frei. Sollten nicht auch alle anderen für dieses besondere Ereignis vom Unterricht befreit werden? Ein Pro & Contra. Diskutieren Sie mit!

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Ein Papstbesuch ist für einige wie ein Feiertag. Und der wird dann auch so begangen. Dieser Logik folgend hat sich das Erzbistum Berlin dazu entschieden, alle 17 katholischen Schulen der Stadt sowie je eine weitere in Potsdam und Fürstenwalde am 22. September, dem kommenden Donnerstag, zu schließen. Den rund 8000 Schülern soll damit ermöglicht werden, sich auf den Gottesdienst von Benedikt XVI. im Olympiastadion einzustimmen, sagt Stefan Förner, der Sprecher des Erzbistums. Das Ereignis sei „so herausragend“, dass man sich zu diesem Schritt entschlossen hat.

Für die staatlichen Schulen gilt dagegen eine gemäßigte Variante. Wegen des „besonderen Ereignisses“ habe man die Schulen darauf hingewiesen, dass nach der vierten Unterrichtsstunde eine Beurlaubung ausgesprochen werden kann, heißt es von Seiten der Senatsverwaltung. Die Erziehungsberechtigten müssten dafür eine Unterrichtsbefreiung beantragen, die auch den genauen Zeitpunkt des Verlassens der Schule benennt.

In Erfurt, wo der Papst einen Tag nach seiner Berlin-Visite Station macht, gehen die Behörden weiter. Hier bleiben am Freitag, den 23. September, alle staatlichen Schulen dicht. Sie sind vom Bildungsministerium angewiesen, einen so genannten flexiblen Ferientag zu nehmen. Auch in Bayern hatte man den Schülern im Jahr 2006 am Tag des Papstbesuches freigegeben.

Warum ist Gleiches nun nicht auch in Berlin denkbar? Zwar glaubt FDP-Schulexpertin Mieke Senftleben, dass ein kompletter freier Tag „einen Riesenaufschrei in der Stadt“ nach sich ziehen würde, weil die Mehrheit der Menschen hier anders als in anderen Bundesländern keiner Glaubensgemeinschaft angehören.

Es liegt in Berlin schon Jahrzehnte zurück, dass Kinder wegen hochrangigen Staatsbesuchs in der Stadt allgemein vom Unterricht befreit wurden. Als einst die britische Königin Elisabeth II. Berlin besuchte oder der frühere US-Präsident John F. Kennedy. Und als Papst Johannes Paul II. am 23. Juni 1996 einen Gottesdienst im Olympiastadion feierte, hatten die Schüler ohnehin frei – es waren bereits Sommerferien. Weil die Messe diesmal auf einen regulären Schultag fällt, spricht sich Bildungsexperte Sascha Steuer (CDU) dafür aus, zumindest alle katholischen Schüler freizustellen: „Sie sollten die Möglichkeit haben, an den Veranstaltungen rund um den Papstbesuch teilzunehmen.“

Generell sieht das Berliner Schulgesetz vor, dass Schüler aller Schularten und Bildungsgänge an den Feiertagen ihrer Religionsgemeinschaft unterrichtsfrei bekommen. So dürfen Kinder muslimischen Glaubens der Schule am ersten Tag des Ramadan- und des Opferfestes fernbleiben. Bei den evangelischen Schülern betrifft die Regelung den Reformationstag am 31. Oktober sowie den Buß- und Bettag, bei den Katholiken zum Beispiel Fronleichnam oder Allerheiligen. Jüdische Schüler erhalten beispielsweise für Jom Kippur oder das Passahfest frei. Darüber hinaus können Schüler auf Antrag ihrer Erziehungsberechtigten an einigen zusätzlichen religiösen Feier- oder Gedenktagen bis zu zwei Stunden vom Unterricht befreit werden.

Bei den katholischen Schulen kommt die Entscheidung, an dem Tag des Papstbesuchs unterrichtsfrei zu geben, gut an. Zwar beginnt der Gottesdienst im Olympiastadion erst um 18.30 Uhr, dennoch „möchten wir uns angemessen darauf vorbereiten“, sagt eine Sprecherin der Katholischen Schule St. Alfons in Tempelhof. Außerdem fänden zahlreiche Rahmenveranstaltungen statt.

Dass so eine Visite des Papstes nicht nur gründlich vorbeireitet werden will, sondern auch jede Menge Geld verschlingt, ist dem Erzbistum bewusst. Erst am Sonntag hat der Berliner Erzbischof Rainer Maria Woelki die hohen Kosten verteidigt. „Damit 70.000 Menschen im Olympiastadion und Millionen Menschen in aller Welt mitfeiern können, müssen wir viel Geld in die Hand nehmen“, schrieb er in einem Hirtenbrief, der in den katholischen Kirchen der Stadt verlesen wurde. 3,5 Millionen Euro werden allein für den Berlin-Besuch von Benedikt XVI. veranschlagt.

Vor diesem Hintergrund legen sich einige Schulen besonders ins Zeug – sie bieten Pilgern ihre Räumlichkeiten als Bleibe an. So dürfen sich die dort lernenden Kinder neben dem freien Donnerstag zusätzlich am Freitag, den 23. September, über eine Schulauszeit freuen.

Unser Pro & Contra. Lesen Sie die Positionen auf der nächsten Seite.

Pro

Es gibt auf der Welt gegenwärtig zwei deutsche Staatsoberhäupter: Christian Wulff, Bundespräsident, und Joseph Ratzinger, der als Papst Benedikt XVI. den Vatikan regiert. Das kommt selten vor: Der letzte deutsche Papst Hadiran VI. regierte 1522-1523. Noch seltener treffen zwei deutsche Staatschefs in der Hauptstadt Deutschlands zusammen. Darum ist der Papstbesuch am 22. September schon so etwas wie ein Jahrhundertereignis. Man muss kein Katholik sein, ja, man muss nicht einmal an Gott glauben, um die historische Tragweite erkennen. Warum sollten die Deutschen, deren Geschichte mehr als tausend Jahre aufs engste mit Rom verbunden war, an einem herausragenden nationalen Ereignis nicht in angemessener Weise Anteil nehmen?

Ob als Christen, Muslime, Atheisten, als Papst-Anhänger oder als Gegendemonstranten – wir sind schließlich Demokraten. Und darum sollte nicht nur an katholischen Privatschulen, sondern wie in Erfurt auch in Berlin für alle schulfrei geben, wenn der Papst kommt. Viele ältere Berlinerinnen und Berliner erinnern sich auch deshalb noch so lebendig an den Besuch John F. Kennedys im Juni 1963 oder den der britischen Königin im Mai 1965, weil an beiden Tagen der Schulunterricht ausfiel. Die Geistesbildung fand damals auf der Straße statt, und die Eindrücke prägten sich vielen fürs Leben ein. Den Papstbesuch miterleben zu können, wird unsere Kinder nicht dümmer machen. Stephan Wiehler

Contra

Warum in aller Welt sollten Kinder schulfrei haben, nur weil der Papst kommt? Damit sie am Wegesrand stehen und winken? Es wäre verlogen in einer Stadt, die kein ordentliches Schulfach Religionsunterricht gestattet. Der Papstbesuch sollte nicht zum Spektakel verkommen. Die Zeiten, als an die Protokollstrecken der DDR ganze Schulklassen zum Jubeln abkommandiert wurden, sind längst Geschichte. Und um ein historisches Ereignis, wie es 1963 der Besuch des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy im ummauerten West-Berlin war, handelt es sich bei der jetzigen Visite des Oberhaupts der Katholischen Kirche nun nicht. Die meisten Menschen in Berlin interessieren sich nicht für den Papst.

Nicht einmal katholische Schüler brauchen unterrichtsfrei; die öffentliche Messe findet erst am Abend statt. Da wird man am Vormittag wohl lernen können. Außerdem, wo könnte man sich besser auf diesen besonderen Gottesdienst vorbereiten als im Religionsunterricht?

Auch ein Verweis auf Erfurt, wohin Benedikt XVI. ebenfalls reist, zieht nicht. Die so viel kleinere thüringische Landeshauptstadt wird durch die immensen Sicherheitsvorkehrungen fast lahm gelegt, so dass die Schulen betroffen sind. Für Berlin sind Besuche dieser Art doch längst Routine. Sigrid Kneist

Liebe Leserinnen und Leser: Was meinen Sie? Sollten alle Berliner Schüler für den Papst-Besuch frei bekommen? Diskutieren Sie mit!

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