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Berliner Wasser soll bald wieder dem Land gehören, wenn es nach der SPD geht.

© dpa

Pro & Contra: Soll das Land die Wasserbetriebe zurückkaufen?

Ein Rückkauf der Wasserbetriebe könnte sich lohnen für das Land Berlin. Der Preis dürfte allerdings hoch sein. Was denken Sie? Gehört das Wasser zurück in die Hände der Hauptstadt?

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

SPD, Linke und Grüne sind dafür, die 1999 privatisierten Anteile an den Berliner Wasserbetrieben zurückzukaufen. Die FDP ist strikt dagegen und auch die CDU hält die Rekommunalisierung des Unternehmens für den falschen Weg. Das ist die politische Gemengelage. Die Sozialdemokraten wollen auf einem Landesparteitag am 13. November entscheiden, wie mit den Wasserbetrieben umzugehen ist. Es wird wohl beschlossen, die privaten Anteile (49,9 Prozent) von den Investoren RWE und Veolia zurückzukaufen und dies mithilfe der Gewinne oder der landeseigenen Investitionsbank (IBB) zu finanzieren.

Was hätte der Berliner Wasserverbraucher davon? Ein kommunaler Eigentümer müsste sich nicht mehr an die umstrittenen Verträge halten, die 1999 mit den privaten Käufern abgeschlossen wurden. Die Tarifkalkulation, die auf einem gesetzlich und vertraglich festgelegten Regelwerk beruht, könnte zugunsten der Kunden verändert werden. Allerdings mit der Folge, dass die Rendite geschmälert wird und weniger Geld in die Kasse des Eigentümers fließt. Dies könnte die Einnahmen im Landeshaushalt deutlich schmälern. Im vergangenen Jahr wurde an die öffentlichen und privaten Eigner der Wasserbetriebe ein Gewinn von 269 Millionen Euro abgeführt. Es steht also viel Geld auf dem Spiel.

Apropos Geld. Selbst die Finanzverwaltung sieht sich derzeit nicht in der Lage zu sagen, was der Rückkauf von 49,9 Prozent an den Wasserbetrieben kostet. Es geht um Milliardenbeträge, das ist klar. Vor einem Jahrzehnt mussten die Investoren 1,7 Milliarden Euro hinlegen, um sich bei dem Versorgungsunternehmen einzukaufen. Angesichts der Rendite, die bis zum Ablauf der Verträge 2028 zu erzielen ist, würden sie sich gewiss nicht damit abspeisen lassen, die damals gezahlte Summe wiederzubekommen. Was hinter den Wasserbetrieben steckt, zeigen auch folgende Zahlen. Die Bilanzsumme lag 2009 bei 6,7 Milliarden Euro, das Eigenkapital bei 2,3 Milliarden Euro.

Bislang wollen RWE und Veolia auch nicht verkaufen. Die Hoffnung derer, die das Monopolunternehmen wieder in öffentlicher Hand sehen wollen, gründet sich deshalb auf den Versuch, den Privatinvestoren mittelfristig die Gewinne spürbar zu kürzen. Entweder durch eine Neuverhandlung der Privatisierungsverträge. Oder mithilfe des Bundeskartellamts, das derzeit die Tarifpolitik der Wasserbetriebe prüft. Wasserbetriebe in kommunaler Hand wären jedenfalls keine Berliner Spezialität. Es gibt bundesweit den Trend, die Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge besser unter staatliche Kontrolle zu bekommen.

Wie gehen die fünf einwohnerstärksten Kommunen nach Berlin mit ihrem Wasser um? Die Wasserwerke in Hamburg, München, Frankfurt/Main und Stuttgart sind in Kommunaleigentum. In Köln hält die RWE 20 Prozent am Unternehmen Rhein-Energie. Die Wasserversorgung in Berlin war von 1873 bis 1999 städtisch. Davor gehörten die Wasserwerke einem englischen Konsortium und mussten vom Magistrat für 8,4 Millionen Taler zurückgekauft werden.

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Wasser ist wie die Luft zum Atmen – jeder braucht es, und deshalb sollte jeder Zugang dazu haben. In Berlin gibt es mehr als genug Wasser. Teuer ist es nur deshalb, weil mit dem Gut spekuliert wird. Vor über einem Jahrzehnt haben Spekulanten dem Land Berlin eine Gewinngarantie abgetrotzt für den Milliardenbetrag, den sie für die Wasserbetriebe hergaben. Dafür sicherten sie sich ein bombensicheres Geschäft mit Staatsgarantie – weil beim Wasser ein Monopol herrscht. Wer jetzt meint, dies sei ein Plädoyer für die allgemeine Verstaatlichung, der irrt gewaltig. Das Gegenteil ist richtig: Wer Monopole zulässt, trägt die Marktwirtschaft zu Grabe – und das ist beim Wasser geschehen. Deshalb ist es höchste Zeit: erstens die Verträge offenzulegen, die den Zugang zum Wasser einschränken; und zweitens die Wasserbetriebe zurückzukaufen. Dass landeseigene Betriebe billiger wirtschaften können als private, beweist die BSR: In anderen Regionen, wo Private den Müll entsorgen, zahlen die Bürger deutlich mehr. Und wenn das Land wieder allein mit dem Wasser wirtschaftet, dann kann auch kein Politiker mehr privaten Anteilseignern die Schuld an hohen Wasserpreisen geben. Außerdem weiß man dann, wen man abwählen muss, falls die Wasserpreise trotzdem weiter steigen sollten. Ralf Schönball

Gewiss, die derzeitigen Verträge mit Veolia sind schlecht für die Berliner, weil sie der Firma ein Monopol zuschanzen und damit todsichere Gewinne. Jetzt aber den Veolia-Anteil zurückzukaufen hieße, nach dem Wasserkunden auch den Steuerzahler zu schröpfen. Es wäre unverantwortlich, den gewaltigen Preis von mehr als 1,7 Milliarden Euro aus der Landeskasse aufzubringen. Zumal Berlin diese Investition kaum mehr einspielen könnte. Als rein kommunales Unternehmen stünden die Wasserbetriebe sofort unter noch größerem Druck, Tarife zu senken und auf Gewinne zu verzichten. Der bessere Weg führt übers Bundeskartellamt. Anfang 2010 hat der Bundesgerichtshof diesem mit einem Musterurteil den Rücken gestärkt, niedrigere Wasserpreise durchzusetzen – vorausgesetzt, die gerügten Tarife liegen weit über dem Bundesdurchschnitt. Das ist in Berlin der Fall. Im Übrigen garantieren staatseigene Betriebe keineswegs bessere Arbeit, siehe S-Bahn oder Wohnungsbaugesellschaften. Qualität ist keine Frage der Besitzverhältnisse, sondern des Managements und Controllings. So gesehen spricht auch vieles für Veolia. Schließlich machen Berlins Wasserbetriebe – abgesehen vom Tarifärger – einen guten Job. Und die von Veolia betriebenen Privatbahnen in Brandenburg bekommen durchweg gute Noten. Christoph Stollowsky

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