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Pro & Contra: Vorzüge und Nachteile des Kopfsteinpflasters

Tagesspiegel-Redakteure Annette Kögel und Stefan Jacobs über den historischen Straßenbelag.

Pro:

Die Vorteile von Kopfsteinpflaster wussten schon die alten Ägypter und Babylonier zu schätzen: Im Jahr 4000 vor Christus bewies der Bodenbelag erstmals seine Eignung als sicherer Transportweg. Heutzutage ist das historische Pflaster nicht weniger wertvoll als damals. Es wäre ein fataler Fehler, das Kopfsteinpflaster herauszureißen und auch diese Straßen mit dem eintönigen Asphalt zu überziehen. Es stimmt, wenn Autos mit überhöhter Geschwindigkeit über Buckelstrecken hinwegrauschen, ist der Belag lauter als asphaltierte Pisten. Doch die Vorteile überwiegen deutlich. Kopfsteinpflaster gehört zu Berlin wie Stullen und Straßenlaternen. Die markanten Brocken müssen das dörfliche Erscheinungsbild vieler Areale auch weiterhin prägen, denn so wirken die Kieze rustikal, gewachsen, geerdet. In Kreuzberg kann man an der Heiligkreuzkirche miterleben, was passiert, wenn Kopfsteinpflaster nach Bauarbeiten nicht ersetzt, sondern einfach ein Streifen in der Mitte der Straße geteert wird. Der urige Charakter ist verloren, die Autos fahren schneller – Asphalt verleitet zum Gas geben. Auf vollversiegelten Flächen kann Regen nicht versickern, dabei wäre das gerade jetzt so wichtig. Pflaster kann atmen, es lässt Wurzeln Freiheit. Nicht umsonst nutzen es Stadtplaner, um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen, das Stadtbild zu verschönern. Kopfsteinpflaster, das ist der Stein der Weisen. Annette Kögel

Contra:

Kopfsteinpflaster ließ die Kutschen der Hohenzollern ins Stadtschloss gelangen, die Preußenkönige nach Sanssouci und Napoleons Truppen dorthin, wo der Pfeffer wächst. Es war der Straßenbelag in Zeiten, in denen wir zwar einen Kaiser hatten, aber keinen Strom und schon gar keine Straßenbaumaschinen. Jetzt sind wir ein paar Jahrhunderte weiter, haben 1,2 Millionen Autos allein in Berlin, eine Radverkehrsstrategie sowie und einen Lärmminderungsplan – und dank des Konjunkturpakets sogar Geld. So weit das große Ganze. Und ganz konkret: Kopfsteinpflaster lässt Autos selbst bei geringem Tempo lärmen. Es vervielfacht den Bremsweg bei Nässe. Es treibt Radfahrer auf die Gehwege, weil es sich auf ebenem Belag viel komfortabler und auch sicherer fährt. Zudem macht es Straßen für Rollstuhl- und Rollatorfahrer unpassierbar, was bei gleichzeitigen Millioneninvestitionen in behindertengerechte Busse, Bahnen und Aufzüge ein Unding ist. Dem gegenüber stehen Nostalgiefaktor und Unverwüstlichkeit von Pflasterstraßen. Wo die Nostalgie klar begründet ist, passen ohnehin die Denkmalschützer auf. Aber sonst ist die Erinnerung an alte Zeiten kein Argument. Nach derselben Logik müssten auch Pferdebahn, Kohleofen und Petroleumlampen gerettet werden. Und am Wochenende wird auf Fontanes Spuren in die Mark gerumpelt, bis – Oh Heinrich! – der Wagen bricht. Stefan Jacobs

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