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Problemkieze: Hartz-IV-Umzügler schätzen Hellersdorf

Wegen günstiger Mieten in Plattenbauten kommen viele Arbeitslose an den Stadtrand – andere ziehen fort.

Die beiden Teenager auf der Treppe zum Einkaufszentrum „Helle Mitte“ blocken jede Frage nach dem Problemkiez Hellersdorf-Nord ab. „Wir sind Friedrichshainer und gehen nach der Lehre zurück“, sagt die 16-jährige Sandra. „Nur weil meine Eltern Hartz IV bekommen, mussten wir an den Stadtrand ziehen. Schönen Dank.“ Ihre Freundin spricht mit leichtem Akzent. „Mama und Papa waren in Russland Ingenieure. Hier wurde ihr Abschluss nicht anerkannt, so dass sie ohne Arbeit sind. Nur wegen der billigen Wohnung leben wir hier“, erzählt Tanja, die mit ihrer Familie als Spätaussiedler vor vier Jahren nach Deutschland kam.

Solche Geschichten sind typisch für das Leben in den nördlichen Randgebieten von Marzahn und Hellersdorf, die laut der Senatsstudie zu den Gebieten mit „einer hohen Problemdichte“ gehören. Die Arbeitslosenquote liegt bei 14,6 Prozent, bei den 15- bis 25-Jährigen suchen 9,6 Prozent einen Job. Laut einer gerade fertiggestellten Untersuchung für das kommunalpolitische Forum wachsen 45 Prozent der unter 15-jährigen Kinder des Bezirks Marzahn-Hellersdorf in Hartz-IV-Haushalten auf, bei Kindern unter sechs Jahren sind es sogar mehr als die Hälfte.

Eine Erklärung könnte im starken Umzug von Hartz-IV-Familien aus anderen Berliner Stadtteilen nach Hellersdorf liegen. „Mein Job-Center in Berlin-Mitte hat mir zu einer billigen Wohnung am Stadtrand geraten“, sagt Dieter S. „Drei Zimmer in einer renovierten Platte kosten hier 480 Euro. Zwar wollte die Arbeitsagentur laut Hartz-IV-Satz nur 451 Euro zahlen, aber dann willigte der Vermieter ein und reduzierte die Miete. Er ist froh, dass die Wohnung nicht leer steht.“

Tatsächlich sind seit der Wende in den Großsiedlungen des Bezirk 28 Prozent der Bevölkerung ausgetauscht worden. „Die gut verdienenden Menschen haben uns verlassen, während nun vor allem arme Schichten das Bild dominieren“, sagt Klaus-Jürgen Dahler, Vorsitzender der Linken-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung. „Leider macht ein großer Teil der Jugendlichen keinen Schulabschluss. Sie finden keinen Ausbildungsplatz und landen in der Arbeitslosigkeit.“ Problematisch sei die Lage der Spätaussiedler aus Russland, die in Marzahn-Nord fast ein Drittel der Einwohner stellen. „Die Jugendlichen passen sich gut an, verlassen aber oft den Bezirk, weil sie hier keine Arbeit finden“, erklärt Dahler.

Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) wehrt sich gegen eine Abstempelung der Problemkieze als „Elendsquartiere“. Schon rein äußerlich treffe diese Bezeichnung nicht zu. „Wir haben hier eine vergleichsweise hohe Jugendarbeitslosigkeit und einen zu hohen Anteil von Kindern, die unter Hartz IV fallen.“ Deshalb werde das Quartiersmanagement mit Hilfsangeboten für die Betroffenen ausgebaut. Claus-Dieter Steyer

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