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© Rückeis

Professor Tuschl: Ist die FU nicht elitetauglich?

Der renommierte Zellbiologe Thomas Tuschl lehnte den Ruf auf eine Humboldt-Professur an der Freien Universität in Berlin ab, weil das Ganze ein „Affenzirkus“ gewesen sei. Ist die FU nicht elitetauglich?

Der Molekularbiologe Thomas Tuschl fühlt sich von den Berufungsverhandlungen an der Freien Universität brüskiert. Als Erstes habe der Kanzler wissen wollen, ob der an der New Yorker Rockefeller-Universität forschende Tuschl wirklich eine Spülkraft für sein Labor brauche. Außerdem habe zwar die Frauenbeauftragte an dem Gespräch teilgenommen, aber niemand, der sich mit Tuschls Fach auskenne. Seinen Wunsch nach vier Laborleitern für seine Forschung habe man einfach ignoriert. Nach einem „erhitzten Wortwechsel“ sei die Sitzung abgebrochen worden – ein „Affenzirkus“, wie Tuschl sagt. Er hat das Gefühl, im Grunde sei die FU gar nicht wirklich an ihm interessiert gewesen, zumal weder der FU-Präsident noch der Wissenschaftssenator seiner Einladung nach New York gefolgt seien, um sein Labor zu sehen. All das hat Tuschl am Wochenende der „Süddeutschen Zeitung“ gesagt.

Die FU ist 2007 zu einer von neun deutschen Exzellenzuniversitäten gekürt worden. Jetzt entsteht der Eindruck, sie sei dem Umgang mit Spitzenforschern nicht gewachsen. Die Sache könnte gar als neuer Beweis für Probleme am Wissenschaftsstandort Deutschland gelten.

Am Geld hat es nicht gelegen

Der 42-jährige Deutsche Tuschl war mit der von ihm entdeckten Methode, einzelne Gene „ausschalten“ zu können, 2006 für den Nobelpreis im Gespräch. Vor zehn Jahren entdeckte Tuschl, damals noch am Max-Planck-Institut in Göttingen tätig, wie künstlich hergestellte RNA-Stränge in der Zelle einzelne Gene deaktivieren können – ein Durchbruch für die Behandlung von Tumoren und Erbkrankheiten. Im August 2007 wurde Tuschl auf Platz eins der Berufungsliste für die Nachfolge des FU-Forschers Volker Erdmann gesetzt. Vor zwei Wochen sagte Tuschl ab. Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner, der daran nach Tuschls Worten mitschuldig ist, erklärte: „Professor Tuschl wäre für den Wissenschaftsstandort Berlin ein großer Gewinn gewesen. Ich bedauere seine Absage.“

FU-Präsident Dieter Lenzen hingegen hat das vom ihm am Freitag ausgedrückte Bedauern inzwischen zurückgenommen. In einem dem Tagesspiegel vorliegenden Brief weist er die Äußerungen von Tuschl als rufschädigend für die FU zurück. Das Schreiben ist an Helmut Schwarz, den Präsidenten der Humboldt-Stiftung, gerichtet. Die Stiftung hatte Tuschl mit einer Alexander-von-Humboldt-Professur geehrt, die mit fünf Millionen Euro dotiert ist. Damit sollte Tuschl der Wechsel schmackhafter gemacht werden.

Am Geld hat es – auch nach Tuschls Darstellung – denn auch nicht gelegen, dass er nicht zur FU will. Neben den fünf Millionen Euro der Humboldt-Stiftung hatte die FU dem Forscher eine Anschubfinanzierung von fünf Millionen Euro zugesagt – eine in der 60-jährigen Geschichte der FU einzigartige Summe, wie FU-Präsident Lenzen schreibt. Im Durchschnitt bekommt ein neu berufener Naturwissenschaftler für die Einrichtung seines Labors 700.000 bis 900.000 Euro, wenn es hoch kommt, 1,5 Millionen. Von Tuschls für fünf Jahre vorgesehenen zehn Millionen Euro (auch im internationalen Maßstab eine große Summe) hätte er ohne weiteres die gewünschte Spülkraft einstellen können. Sicher hätte er auch seine vier Laborleiter aus New York mitbringen können. Zu Beamten auf Lebzeit wie von ihm gewünscht wollte die FU dieses technische Personal aber nicht machen, die Ausstattung einer Professur wird nur befristet gewährt.

Tuschl wäre besser aufgestellt gewesen als sein Vorgänger

Die Ausstattung für laufende Personal- und Sachkosten (290.000 Euro jährlich) wäre besser gewesen als die von Tuschls Vorgänger (167.000 Euro). Üppig wäre auch Tuschls Gehalt ausgefallen: Mit der neuen Besoldung kann ein Professor einen sechsstelligen Betrag verdienen – weit mehr als etwa der Wissenschaftssenator. Womöglich ist Tuschl darauf auch gar nicht angewiesen. Der Mitbegründer des an der Börse notierten Pharmaunternehmens Alnylam dürfte auch aus dem Lizenzverkauf seiner Patente schöpfen. Tuschl hat denn auch deutlich gemacht, dass er von der Rockefeller-Universität keinesfalls ein besseres Angebot bekommen hat als von der FU und noch nicht einmal von seiner Assistenzprofessur auf eine ordentliche Professor berufen wurde.

Er ist nicht zur FU gewechselt, weil ihm ihr Stil bürokratisch und unwirsch erschien. Erwähnt hat Tuschl den Kanzler und die Frauenbeauftragte. In der Tat ist FU-Kanzler Peter Lange zwar als herzlich, aber auch als rau bekannt. Es ist nicht völlig auszuschließen, dass der Haushaltschef der FU es sich hat anmerken lassen, dass er die Forderungen Tuschls für abgehoben und dessen Auftreten für divenhaft gehalten hat. Allerdings streitet Lenzen in seinem Brief ab, dass Langes Verhalten den Spitzenforscher verprellt haben könnte. Anders als Tuschl sagt, hat die Frauenbeauftragte der FU allerdings weder an den Gehalts- noch an den Ausstattungsverhandlungen teilgenommen – dies ist ihr rechtlich gar nicht möglich.

Was könnte dann aber Tuschls Ärger verursacht haben? Vielleicht, dass der Präsident und der Wissenschaftssenator ihn nicht in New York umworben haben? Lenzen findet nicht, dass Kandidaten im Ausland selbstverständlich mit einem Besuch rechnen dürfen. Die FU sei überdies durchaus in der Lage, Top-Forscher an Land zu ziehen – wohl zu Recht. Gerade hat der ebenfalls mit der Alexander-von-Humboldt-Professur geehrte Physiker Piet Wibertus Brouwer zugesagt: Dessen Berufungsverhandlungen seien aufgrund „seiner welterfahrenen und unprätentiösen Art schnell und unkompliziert“ verlaufen, schreibt Lenzen.

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