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Mit Pinsel und Farbe. Zum Kursus im Kreuzberger Jugend- und Kulturzentrum „Schlesische 27“ gehört auch Kunstunterricht, in dem die Teilnehmer berühmte Werke nach eigenen Vorstellungen nachmalen. 

© Thilo Rückeis

Projekt für Berufseinstieg braucht Spenden: Besuch in der Fälscherwerkstatt Kreuzberg

Das Jugendprojekt „Schlesische 27“ geht ungewöhnliche Wege, damit junge Migranten und Flüchtlinge den Schulabschluss und Berufseinstieg schaffen. Doch es braucht dringend Spenden.

Rezas Bild ist fertig – oder besser: fast. „Lässt du den Fleck hier eigentlich weiß ?“, fragt Ercan Arslan den schmalen 19-Jährigen mit der rechteckigen Brille verschmitzt. „Oh nein, das hab’ ich nicht gesehen“, ruft Reza und lächelt sein gleichzeitig strahlendes und unsicheres Lächeln. Dann malt er konzentriert – bis der Mann ganz links auf seiner Leinwand braune Haare hat. Arslan lobt ihn. Der Kreuzberger Künstler unterrichtet im Jugend- und Kulturhaus Schlesische 27 in Kreuzberg – und zwar die Teilnehmer eines besonderen berufspraktischen Kurses, der sich sowohl an Berliner mit Migrationshintergrund richtet, die in der Schule gescheitert sind – als auch an Flüchtlinge, die erst kurz hier leben. Fürs Projekt erbittet der Verein jetzt um Spenden der Tagesspiegel-Leser.

An zwei Tagen pro Woche haben die Jugendlichen im Alter zwischen 17 und 23 regulären Schulunterricht, die übrigen drei Tage verbringen sie mit Projekten im Werkraum des Jugendzentrums. Gerade beendet die Gruppe ein dreiwöchiges Kunstprojekt mit dem Titel „Fälscherwerkstatt“: Nach einem Besuch der Gemäldegalerie haben sie Bilder alter Meister kopiert und dabei oft einen eigenen Stil entwickelt. Rezas Werk, das er nach dem Vorbild eines niederländischen Meisters aus dem 16. Jahrhundert gemalt hat, sieht eher Bildern von Malern des 20. Jahrhunderts ähnlich. „Matisse wäre stolz auf dich“, sagt Arslan. „Es geht bei dem Projekt darum, die Jugendlichen mit unterschiedlichen Materialien vertraut zu machen – und mit westlicher Kultur“, sagt die Künstlerin Carolina Kecskemethy, die den Workshop mit Arslan leitet.

Das Projekt braucht 20 Werkbänke - der Tagesspiegel will helfen

Zu dem Konzept gehört, dass die verschiedenen Workshops von Spezialisten – Künstlern und Handwerkern – geleitet werden. Die Jugendlichen haben unter dieser Anleitung etwa schon Parkbänke aus Holz und Metall gebaut, Lampen aus alten Rohren, Holzresten, Küchenutensilien und Zement designt. Ziel des Kurses ist, dass die Teilnehmer spätestens im Sommer einen Schulabschluss schaffen – und einen Ausbildungsplatz finden. Und zwar in einem Bereich, der ihnen gut liegt. Welcher das ist, stellt sich bei den Projekten oft erst heraus.

Der berufspraktische Kurs richtet sich sowohl an Berliner mit Migrationshintergrund, die in der Schule gescheitert sind, als auch an Flüchtlinge, die erst kurz hier leben.
Der berufspraktische Kurs richtet sich sowohl an Berliner mit Migrationshintergrund, die in der Schule gescheitert sind, als auch an Flüchtlinge, die erst kurz hier leben.

© Thilo Rückeis

Nach jedem Projekt präsentieren sie die Ergebnisse vor Publikum. „Als die Bänke gebaut wurden, hatten wir einen Unternehmer eingeladen, der so beeindruckt war, dass er uns gleich mehrere Praktikumsplätze angeboten hat“, sagt Heidi Walter, als Sozialpädagogin für den Kurs zuständig. Um den Jugendlichen für die Praktika die richtigen Vorkenntnisse zu vermitteln, fehlt aber etwas: professionelle Werkbänke. Zurzeit arbeiten Reza und die anderen an ziemlich ramponierten Provisorien.

Vor allem bei den Holz- und Metallarbeiten fehlen Arbeitsplätze, an denen man auch schweißen oder etwas in den Schraubstock klemmen kann. Der Tagesspiegel will dabei helfen, 20 Werkbänke anzuschaffen. Zwar werden die Lehrgänge vom Europäischen Sozialfonds finanziert und das Zentrum wird vom Senat unterstützt. Für solche Anschaffungen ist aber kein Geld da. „Jeder der Teilnehmer soll eine Art Arbeitszuhause bekommen“, sagt Heidi Walter.

Reza möchte Zahnarzt werden, oder Altenpfleger

Ein richtiges Zuhause hat Reza lange nicht gehabt. Das Bild, das er kopiert hat, hat er sich ausgesucht, weil darauf eine Familie zu sehen ist: „Das hat mir gefallen. Ich habe meine Eltern schon so lange nicht mehr gesehen.“ Vor zwei Jahren ist der Afghane nach einer sechsmonatigen abenteuerlichen Flucht in Deutschland angekommen. Aufgewachsen ist er im Iran, seine Eltern waren vor den Taliban mit ihm dorthin geflohen, als er ein kleiner Junge war.

Die Teilnehmer des Kurses mit ihren Kunstwerken.
Die Teilnehmer des Kurses mit ihren Kunstwerken.

© Thilo Rückeis

Doch als afghanischer Flüchtling durfte er nicht zur Schule gehen. Stattdessen musste er schon mit sechs Jahren acht Stunden pro Tag arbeiten – erst als Schuhputzer, dann als Schneider. „Ich habe die anderen Kinder immer so sehr beneidet, dass sie lernen dürfen.“ Jetzt, mit 19, darf er das endlich auch. „Ich bin so glücklich“, sagt er in gutem Deutsch. Er möchte Zahnarzt, Mechaniker oder Altenpfleger werden.

Teilnehmer wie Reza sollen Mitschüler wie Yassine anspornen. Der ebenfalls 19-jährige Sohn marokkanischer Eltern ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Im vergangenen Sommer ist er von der Schule geflogen, kurz vor dem Abschluss. „Man hat die Schule halt nicht ernst genommen. Man war immer der Witzigste in der Klasse“, sagt er grinsend. Jetzt sei das anders. Er hat einen Märtyrer am Kreuz gemalt. „Ich habe dabei gelernt, mich zu konzentrieren und auf Details zu achten. Wenn man zum Beispiel keine Schatten malt, sieht das Bild zu eintönig aus.“ Er – und die Betreuer – sind sicher, dass er wahrscheinlich sogar einen Mittleren Abschluss schafft.

Spenden bitte an:

Spendenaktion Der Tagesspiegel e. V., Verwendungszweck: „Menschen helfen!“, Berliner Sparkasse (BLZ 100 500 00), Konto 250 030 942 – Namen und Anschrift für den Spendenbeleg notieren. BIC: BELADEBE, IBAN: DE43 1005 0000 0250 0309 42

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