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Kinder müssen draußen bleiben: Der Bezirk Mitte sperrt den Spielplatz am Magdeburger Platz wegen Verschmutzung.

© Nándor Hulverscheidt

Prostitution und Drogen am Magdeburger Platz in Berlin: Spritzen statt Sandförmchen: Bezirk sperrt Spielplatz

Der Kiez an der Kurfürstenstraße kapituliert vor der Stricher- und Drogenszene. Der Bezirk Mitte sperrt nun eine komplette Grünanlage wegen Verschmutzung.

Eigentlich ist das hier eine traditionsreiche Grünanlage. Und eigentlich ist der Spielplatz für Kinder gedacht. Doch so ist es leider nicht, schon lange nicht mehr, und jetzt reicht’s dem Bezirk Mitte: „Die gesamte Grünanlage auf dem Magdeburger Platz wird mit sofortiger Wirkung gesperrt“, sagt Stadtrat Carsten Spallek (CDU) und nennt auch gleich die Gründe: „Kondome, Spritzen, Fäkalien und andere Hinterlassenschaften der Prostituierten und deren Kundschaft.“ Jetzt ist das Areal an der Lützowstraße abgeriegelt. Der Bezirk kapituliert vor Schmutz und Drogen. Der Unrat gefährde zunehmend die Besucher von Grünanlage und Spielplatz. „Verletzungen drohen, unser Grünflächenamt hat zu wenig Personal und Geld, wir sind nicht in der Lage, die Anlage sauber zu halten“, sagt Spallek.

Der Straßenstrich ist seit langer Zeit etabliert

Eigentlich ist der Stadtrat im Kiez viel gewohnt. Der Straßenstrich hat sich an der Lützowstraße sowie an der nahen Kurfürstenstraße seit vielen Jahren etabliert. Und doch leben hier viele Familien, gibt es Kitas, eine Klinik, eine Grundschule. Aber nun stehen vor den vier Eingängen des Magdeburger Platzes Baugitter.

Ein Mann in Jogginghose führt auf der vermüllten Wiese seinen Hund spazieren. An fast jeder Sitzgelegenheit liegen benutzte Kondome herum, vereinzelt kreisen Fliegen um Fäkalien. In der Mitte des Parks verwest ein totes Tier, es könnte eine kleine Ratte sein. Carsten Remmler, der in Motorradkluft auf einer Bank vor dem Park sitzt, hat in seiner Kindheit häufig am Magdeburger Platz gespielt. "Ich finde es schade, dass der Park so verwahrlost und in Teilen geradezu eklig ist." Remmler meint, die Sperrung habe doch nur symbolischen Charakter. Den 46-Jährigen wundert, "dass die Anwohner nicht mehr Präsenz zeigen und sich den Park zurückerobern."

Der Platz gilt als Hauptquartier der Szene

Wie lange die Anlage geschlossen bleibt? Der Stadtrat zuckt mit den Schultern. Mehr Mitarbeiter hat er nicht in Aussicht und folglich auch keinen Zeitplan. Der Bezirk, sagt er, könne ohnehin nur die Symptome von Prostitution und Drogen bekämpfen. „Wirklich lösen kann man das Problem nur ganzheitlich.“ Prostitutions- und Drogenszene vermischen sich und kooperieren im Kiez. Manche Frauen am Strich sind abhängig, Zuhälter bieten zugleich Drogen an. Der Magdeburger Platz sei sozusagen ein Hauptquartier der Szenen, sagt Pfarrer Burkhard Bornemann von der protestantischen Zwölf- Apostel-Gemeinde an der Kurfürstenstraße. „Da wird Rauschgift in Mülleimern versteckt, die Kunden gehen zielgerichtet darauf zu.“ Gemeindemitglieder beklagen sich bei Bornemann. Sie trauen sich nicht mehr in den Park.

"Die soziale Kontrolle muss verbessert werden"

Aus Sicht des Pastors müsste der Bezirk private Reinigungstrupps engagieren, die täglich gründlich saubermachen. „Das würde die Bevölkerung langsam ermutigen, wieder in den Park zu gehen und zu sagen: ,Das ist unser Platz!’“ Die soziale Kontrolle würde verbessert, die Prostitutionsszene hinausgedrängt. Außerdem schlägt Pastor Bornemann vor, dass Büsche rundherum stark gekürzt und „freigeschnitten“ werden. Damit sie keine Drogenverstecke mehr bieten. Auf ähnliche Weise wurde auch der Görlitzer Park in Kreuzberg in den vergangenen Monaten übersichtlicher gemacht. Hoffnungen setzt Bornemann zudem in die geplanten großen Bauvorhaben des geplagten Kiezes. Tatsächlich gerät das Areal derzeit in den Blick von Investoren. So sollen Blocks mit Eigentumswohnungen entstehen – beispielsweise am Parkplatz von „Möbel Hübner“. Auch dies werde die Gegend beleben und verändern, meint Bornemann.

"Statt Druck auszuüben, sollte man den Frauen helfen"

Die Polizei ist im Kiez verstärkt präsent. „Die Frauen werden häufig kontrolliert“, sagt Monika Nürnberger, Sozialarbeiterin in der Beratungsstelle „Olga“ für drogenabhängige Frauen und Prostituierte im Kiez. Doch erfahrungsgemäß verdrängt ein solcher Druck die Szene nur in Nachbargegenden. Man sollte die Frauen stattdessen per Streetwork mehr beraten und ihre Lebenssituation verbessern, meint Nürnberger. Viele kommen aus Osteuropa, sind ohne Wohnung, ohne Gesundheitsversorgung. „Aber wenn man ihnen die Probleme am Park erklärt“, sagt Nürnberger, „reagieren sie meist einsichtig.“

Der Magdeburger Platz in Tiergarten.
Der Magdeburger Platz in Tiergarten.

© TSP

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