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Berlin: Protest am Potsdamer Platz vom Winde verweht Studenten streikmüde, doch es geht weiter. TU-Aktion im Regen

Von Uwe Schlicht und Tilmann Warnicke Der Streik ist tot, es lebe der Streik. Zu diesen zwei Ergebnissen kamen gestern die Vollversammlungen der Technischen (TU) und der Freien Universität (FU).

Von Uwe Schlicht

und Tilmann Warnicke

Der Streik ist tot, es lebe der Streik. Zu diesen zwei Ergebnissen kamen gestern die Vollversammlungen der Technischen (TU) und der Freien Universität (FU). Denn offiziell streiken die Studenten beider Unis zwar weiter. Doch die Streikaktivisten erkennen zugleich: Selbst der harte Kern der Ausständler ist streikmüde und weiß nicht mehr, wie es mit dem Protest weitergehen soll.

Weiterstreiken trotz Streikmüdigkeit: Dieses widersprüchliche Ergebnis erklärt sich vor allem aus dem komplizierten Prozedere der Vollversammlungen. Letzte Woche stimmten an beiden Unis jeweils knapp 2000 Studenten für eine Fortsetzung des Streiks. Die allwöchentlichen Versammlungen sollen dieses Votum entweder bestätigen oder verwerfen. Dazu müssen – so wie letzte Woche – mindestens fünf Prozent der Studierenden anwesend sein, um ein für alle bindendes Resultat zu erzielen. Gestern kamen nur wenige hundert in die großen Auditorien der beiden Hochschulen. Zu wenig, um den Streikbeschluss zu verändern – es wird also weitergestreikt.

An der FU wurde gleich ganz auf eine Abstimmung verzichtet, an der TU erhoben die Organisatoren immerhin ein unverbindliches Stimmungsbild. Per Handzeichen wollten demnach alle Anwesenden weiterstreiken. Eigentlich. Aufschlussreicher waren die wenigen Redebeiträge. „Letzte Woche waren wir noch euphorisch. Aber jetzt läuft gar nichts mehr. Das ist richtig peinlich“, kritisierte ein Student seine Kommilitonen. Widerspruch gab es nicht und diskutieren wollte auch niemand – letzte Woche lieferten sich Gegner und Befürworter noch heiße Redeschlachten.

So bestätigte sich, was sich im Uni-Alltag die letzten Tage bereits andeutete. Die vielen Lernwilligen lernen, ohne sich um den Streikbeschluss zu kümmern. Die wenigen Aktivisten protestieren halbherzig weiter. Am heutigen Donnerstag wollen sie noch einmal auf dem Potsdamer Platz demonstrieren. Die letzte Motivation soll ein Wanderpokal aus den Protestwilligen herauskitzeln. Der wird ab sofort wöchentlich an die Gruppe mit der besten Aktion verliehen.

Gegenwind bekam auch der Akademische Senat der TU, als er am Potsdamer Platz den Studentenprotest mit einer öffentlichen Senatssitzung unter der historischen Verkehrsampel unterstützen wollte. Sturmböen warfen das Standmikrofon um und die Plastiküberzüge schlugen knatternd auf die Lautsprecher. So blieb der Akademische Senat weitgehend unter sich, als er sich Gedanken zum Leitbild der Technischen Universität machte. Die Senatsmitglieder hatten sich in Regenmäntel, Anoraks und Regenumhänge gehüllt. TU-Präsident Kurt Kutzler im ungewohnten Lederjacken-Outfit brachte das Kunststück zustande, seinen großen Hut ohne Riemen und ohne Festhalten während der 20-minütigen Demonstration auf dem Kopf zu behalten. Nach dem nassen Auftakt vertagte sich der Akademische Senat in die sturmgeschützten Räume der Technischen Universität, um dort weiter zu diskutieren.

Die TU sieht sich dabei als wichtiger Partner der Wirtschaft, aber auch als Dienstleisterin für die Beratung in der Technologie. Ihre Leistungen möchte sie im internationalen Wettbewerb steigern und in diesem Konkurrenzkampf einmal eine führende Rolle übernehmen. Auf die enge Verzahnung von Ingenieur- und Naturwissenschaften mit den Wirtschafts- und Geisteswissenschaften möchte die TU nicht verzichten. Wohl aber spricht sie sich für den Verzicht auf die Rüstungsforschung aus – in Erinnerung an den Missbrauch der alten Technischen Hochschule Charlottenburg für die Rüstung im Nationalsozialismus.

Uwe Schlicht, Tilmann Warnicke

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