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Berlin: Protest gegen Hartz IV weitet sich aus 15 000 demonstrieren gegen Reformen

„Wir sind zu ruhig! Wir müssen in die Arbeitsämter gehen, in die Ministerien“, fordert Monika T.

„Wir sind zu ruhig! Wir müssen in die Arbeitsämter gehen, in die Ministerien“, fordert Monika T. die Demonstranten am „offenen Mikrofon“ vor dem Roten Rathaus zum Handeln auf. Die arbeitslose Verwaltungsangestellte hat den richtigen Ton getroffen, bekommt viel Applaus. Eine Ordnerin macht ein Zeichen: Die Redezeit ist um. Beim nächsten Redner aber entflammt erneut der Streit zwischen den Bündnissen, die das erste Mal seit Wochen wieder gemeinsam zur Montagsdemonstration eingeladen haben. Dieter Ilius vom Bündnis „Montagsdemo gegen 2010“ spricht. Der Funktionär der linkradikalen Partei MLPD behauptet, er habe „persönlich“ die Initiative zur Einigung zwischen den zerstrittenen Bündnissen ergriffen. Doch sein Slogan „Weg mit Hartz IV – das Volk sind wir“ trifft bei den Zuhörern auf wenig Begeisterung. Sie hören lieber Bernd B. zu, der sich nicht länger schämen will, Sozialhilfeempfänger zu sein. Bernd B. zeigt eines deutlich: Es sind nicht nur die „üblichen Verdächtigen“, die auf die Straße gehen. Auch wenn die Fahnen von DKP, „Linksruck“, „Sozialistischer Alternative“ und der PDS beim Demonstrationszug vom Roten Rathaus zur SPD-Parteizentrale in der Wilhelmstraße dominieren, wenngleich PDSFraktionsvorsitzender Stefan Liebich dabei ist und die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau: Die meisten der rund 15 000 Teilnehmer, rund doppelt soviel wie in der Vorwoche, wollen sich nicht parteipolitisch vereinnahmen lassen. Sonja F. ist dafür ein Beispiel. Die Enddreißigerin klatscht besonders laut, als einer der Veranstalter sagt, „Bürger sind wichtiger als Parteiinteressen“. „Ich demonstriere heute das erste Mal“, sagt Sonja. Ihr arbeitsloser Bruder sei „total verunsichert“ durch Hartz IV.

Die Veranstalter sind mit der Resonanz zufrieden. Sascha Kimpel, Sprecher des Bündnisses „Weg mit Hartz IV“, sieht seine vorherige Schätzung von 15 000 Teilnehmern „vollauf bestätigt“ – nur die Polizei muss ihre Schätzungen gleich mehrfach ändern. Hieß es zu Beginn der Kundgebung, die Zahl der Teilnehmer läge bei 1500, wurden daraus später 5000, dann 7000. Als sich der Demontrationszug gegen 18.30 Uhr vom Roten Rathaus aus schließlich in Bewegung setzt, legt sich ein Polizeisprecher fest: Es sind „deutlich über 10 000“, sagt er.

Zufrieden ist auch FU-Professor Peter Grottian, der zwischen den konkurrierenden Bündnissen vermittelt hatte und als Anmelder der Demonstrantion aufgetreten war. Grottian warnt aber auch vor einem Nachlassen des Protestes: „Wenn ihr euch nicht einbringt, werden die Montagsdemonstrationen erschlaffen“, sagt er mit heiserer Stimme unter dem Beifall der Teilnehmer. Grottian sagte dem Tagesspiegel, die Form der Kundgebungen müsse sich in den kommenden Wochen verändern. „Wir brauchen mehr Redner aus Kultur und Sport – oder aus dem Kabarett“, forderte er. „Die Leute dürfen nicht denken, da passiert immer das Gleiche“.

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