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Proteste gegen Asylpolitik in Berlin: Flüchtlinge hungern weiter am Pariser Platz

Vor dem Hintergrund des Hungerstreiks der Flüchtlinge auf dem Pariser Platz protestierten etwa 400 Personen am Mittwochabend in Kreuzberg gegen die Asylpolitik.

Der Streit um die deutsche Flüchtlingspolitik scheint nun zunehmend auch die linke Szene zu mobilisieren. Am Dienstagabend kam es in Hamburg bei einer Protestaktion von rund 1000 Personen zu Ausschreitungen. Möglicherweise wurde dies zum Auslöser von Protesten am Mittwochabend in Berlin-Kreuzberg. Nach Angaben der Polizei hatten sich, offenbar dazu im Internet dazu aufgerufen, gegen 20 Uhr zwischen 350 und 400 Mitglieder der linken Szene am Lausitzer Platz versammelt und waren zur Skalitzer Straße gelaufen. Die Protestler zeigten sich nicht kooperationsbereit, zögen kreuz und quer durch die Straßen in einer Art Katz- und Maus-Spiel, hieß es. Die Scheiben von zwei Funkwagen seien eingeworfen worden. Gegen 22.30 Uhr hatte sich die Lage aber wieder beruhigt.

Die Kreuzberger Proteste fanden vor dem Hintergrund des andauernden Hungerstreiks der Flüchtlinge auf dem Pariser Platz statt, dem wohl wichtigsten touristischen Anziehungspunkt der Stadt. Ein Pflichtort für Leute wie die norwegische Lehrerin Turid Nicolaysen, mit ihrer Klasse auf Deutschlandbesuch, die mit dem Berlin-Führer in der Hand vor dem Lager aus Regenschirmen am Brandenburger Tor steht und seufzt: „Europa muss eine Lösung finden. Alle verstehen, dass etwas getan werden muss, aber wenn es sie persönlich betrifft, wenn sie über Steuern dafür zahlen müssen oder Ausländer in der Nachbarschaft haben, bekommen sie Angst.

Für die Flüchtlinge ist der Mittwoch der achte Tag des Hungerstreiks. Seit drei Tagen sei der Protest außerdem „trocken“, wie Brook Tadele erzählt. Seit 72 Stunden haben sie also auch nichts getrunken. Tadele, 24 Jahre alt, seit einem Jahr aus Äthiopien in Deutschland, gehört zur „Mediagroup“ der Demonstranten: Drei Flüchtlinge seien heute bereits ins Krankenhaus gebracht worden, sagt er, eine Frau, zwei Männer. Die sieben Demonstranten, die am Dienstag ins Krankenhaus kamen, waren noch am selben Abend zurück im Protestcamp. Insgesamt harren 27 Männer und zwei Frauen auf dem Platz aus, um gegen die Asylpolitik zu demonstrieren. Doch sie sind kaum auszumachen: Die Anzahl der Regenschirme ist weit höher, unter ihnen liegen die meisten Demonstranten in Schlafsäcken und auf Planen. <NO1>Am Dienstagabend habe es noch eine Auseinandersetzung über Schlafsäcke und Plastikplanen mit der Polizei gegeben, sagt Tadele. Erst um eins hätten sie schlafen können. Eine Polizeisprecherin bestätigt, dass die Flüchtlinge aufgefordert worden seien, Gegenstände wegzuräumen, die keiner Person zuzuordnen waren. Ansonsten sei die Nacht ruhig gewesen, sagen beide Seiten.

Jürgen Hölzinger engagiert sich freiwillig. Der 72-jährige Urologe im Ruhestand möchte die Flüchtlinge unterstützen. Das hat er auch im Vorjahr am Brandenburger Tor getan und seitdem oft auf dem Oranienplatz. Gestern kam er um halb sieben. Immer wieder läuft er durch das Lager, untersucht die Liegenden: Sind sie noch ansprechbar? Bei Bewusstsein? „Die Demonstranten sind sehr gut organisiert und kümmern sich umeinander“, sagt er. „Das ist gut, denn für uns Ärzte ist die Lage nicht immer einfach einzuschätzen: Menschen aus anderen Kulturkreisen reagieren anders auf Schmerz und Entbehrung.“

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