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Proteste ohne Grenzen: Erst die Wall Street, nun Berlin

Arabischer Frühling, Proteste in Spanien und Griechenland, dann kam die Occupy-Wall-Street-Bewegung nach New York. Was in wenigen Ländern begann, breitet sich zu einer weltweiten Protestwelle aus. Und die erreicht am 15. Oktober auch Berlin.

951 Städte, 82 Länder, ein gemeinsames Ziel: friedlich für einen weltweiten Wandel zu demonstrieren. Gegen die Macht der Banken, gegen Kriege, Rassismus und Umweltzerstörung. Für diese Ziele wollen am 15. Oktober weltweit Menschen auf die Straßen gehen – auch in Berlin.

Die Anhänger der sogenannten Occupy-Bewegung, die durch Proteste in der New Yorker Wall Street internationale Aufmerksamkeit erregt hat, vernetzen sich auch in Deutschland im Internet. Auf Facebook gibt es Gruppen wie „Occupy Berlin-News“ oder „Echte Demokratie jetzt!“. Ihr Ziel an diesem Sonnabend: der Neptunbrunnen vor dem Roten Rathaus. 350 Teilnehmer sind angemeldet. Vom Brunnen aus geht es um 13 Uhr in Richtung Brandenburger Tor. Am Kanzleramt soll es gegen 18 Uhr eine Kundgebung geben, ebenso am Kreuzberger Mariannenplatz. Dort findet auch eine Abschlussveranstaltung mit Konzert statt.

Einer, der von Anfang an dabei war, ist Student Michael Pfeiffer von der Organisation „Echte Demokratie jetzt!“, die sich selbst als „offenes Netzwerk“ versteht. Im Sommer organisierte er das Protest-Zeltlager auf dem Alexanderplatz mit, an dem sich vor allem Studenten und Arbeitslose beteiligten. Seitdem hätten sich aber auch viele andere Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten angeschlossen, sagt der Aktivist. Seit Juni veranstalten er und seine Mitstreiter nach spanischem Vorbild sogenannte „Asambleas“ (zu Deutsch: Volksversammlung), die sich wöchentlich treffen. Hier bereiten sie seit Monaten die für heute geplanten Proteste vor, die auch von anderen Organisationen wie der Jugendorganisation der Gewerkschaft Verdi unterstützt werden: „Jeder kann kommen, mitreden, Themen vorschlagen und Debatten anregen“.

Die derzeitigen Entwicklungen findet er „wunderbar“ , sagt der 30-Jährige. „Wir sind über jede Aufmerksamkeit froh.“ Wurden sie am Anfang nur „müde belächelt“, wächst die Resonanz von Tag zu Tag. „Wir sind für mehr Mitbestimmung, für weniger Kapitalismus. Für eine Basisdemokratie, bei der alle mitbestimmen können“. Neben der Demonstration veranstaltet die globalisierungskritische Organisation Attac um 10 Uhr im Grips-Theater eine Krisenanhörung zu den Ursachen und Folgen der Finanz- und Eurokrise. Anschließend geht es ebenfalls zur Kundgebung am Kanzleramt. Attac beteiligt sich an den meisten deutschen Aktionen direkt oder indirekt. Anhänger in rund 50 deutschen Städten wollen mitmachen, von Augsburg bis nach Wuppertal. Neben Berlin werden auch in Frankfurt, München und Hamburg größere Veranstaltungen erwartet.

„Seit den Demonstrationen in New York ist der Funke zu uns übergesprungen“, erklärt Frauke Distelrath von Attac, „auch wenn sich die Menschen in Deutschland noch nicht direkt betroffen fühlen – sie sind es“. Im Bankenzentrum Frankfurt am Main haben sich die Demonstranten nun das symbolische Zentrum der Wirtschaftskrise ausgesucht: Die Europäische Zentralbank. Dort wollen sie am Sonnabend ebenfalls ihre Forderungen auf die Straße tragen.

Doch können die jetzigen Proteste wirklich Veränderungen auslösen? Der Protestforscher Simon Teune vom Wissenschaftszentrum Berlin sieht das so. „Es kann nicht ignoriert werden, dass weltweit so viele Menschen auf die Straße gehen.“ Ähnlichkeiten sieht er auch zu der Studentenbewegung von 1968. Doch die gesellschaftliche Akzeptanz sei diesmal breiter. „Nur von einer Jugendbewegung zu sprechen, wäre zu begrenzt“, sagt Teune. Auch die Linkspartei ruft dazu auf, mitzuprotestieren. Vize-Parteichefin Sarah Wagenknecht sagte am Dienstag im Bundestag: „Lasst uns am 15. Oktober auf die Straße gehen, wenn weltweit für Demokratie und gegen die Macht der Finanzlobby demonstriert wird“. An der Wall Street demonstrieren seit dem 19. September tausende Menschen für mehr soziale Gleichheit. Der Anstoß zum weltweiten Protesttag kam aber bereits vorher, und zwar aus Spanien, wo es seit Mai zu landesweiten Protesten kommt, inspiriert durch den Arabischen Frühling.

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