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Ein besonders schwerer Fall von sexuellem Kindesmissbrauch wird gerade in Berlin verhandelt.

© dpa

Prozess in Berlin: Missbrauch in 3713 Fällen

Ein Vater verging sich an seinen drei Kindern – 14 Jahre lang. Die zwei Mädchen und der Junge waren zu Beginn der Übergriffe drei Jahre alt. Jetzt hat er vor Gericht gestanden.

Das Martyrium des Missbrauchs gehörte zum Alltag der Kinder. Sie wurden Opfer des Vaters. Lange Zeit täglich, manchmal gleichzeitig. 3713 Taten gegen seine zwei Töchter und gegen seinen Sohn werden Carsten B. zur Last gelegt. Ein Fall von unglaublicher Dimension. Zum Prozess aber kam der 42-Jährige als freier Mann. Seine älteste Tochter, heute 19 Jahre alt, an seiner Seite. Früher hatte er den Kindern erklärt: „Wenn ihr über die Dinge etwas sagt, verliert ihr mich.“

Es war ein langer Weg ans Licht. 14 Jahre lang waren die Übergriffe unentdeckt geblieben. Sie begannen, als die Kinder jeweils etwa drei Jahre alt waren. Carsten B. sah die Richter nicht an, als er nun Fragen beantwortete. „Wie es dazu kam? Ich weiß nicht, es war die Erregung, sie nackt zu sehen, sie zu berühren“, sagte er. Das Sexualleben mit der Mutter der Kinder habe ihn „nie ganz befriedigt“. Ihm sei auch von Anfang an bewusst gewesen, dass sein Handeln falsch war. „Aber es führte nicht zur Umkehr, da war ich nicht ich selbst“, sagte der Angeklagte.

Die jüngere Tochter hatte Angst, schwanger zu sein

Der IT-Systemelektroniker hat keine Vorstrafen. Er lebte mit der späteren Mutter seiner drei Kinder seit 1995 in einer eheähnlichen Beziehung. Bald wurden sie Eltern. 1995 die erste Tochter, zwei Jahre später die zweite, 2003 dann ein Sohn. Als das älteste Mädchen im Oktober 1998 drei Jahre alt wurde, kam es zum ersten Sex-Übergriff. „Sie saß auf mir, das erregte mich“, gab der Vater vor Gericht zu. Er schlich sich nachts in die Kinderzimmer. Zuerst habe er die Geschwister beim Kuscheln intim berührt, so der Angeklagte. Viele Fälle ereigneten sich im Badezimmer. „Ich habe mit allen Kindern oft gemeinsam gebadet.“ Bei B. war, so scheint es, überhaupt keine Schranke mehr vorhanden. Als die älteste Tochter etwa sieben Jahre alt war, wollte er Geschlechtsverkehr. „Es hat aber nicht geklappt“, nuschelte B. nun. Anders sei es mit dem jüngeren Mädchen gewesen. „Da ist es irgendwann passiert.“ Sie war zwölf Jahre alt, als es regelmäßig geschah.

Im Jahr 2009 trennten sich die Eltern. Carsten B. zog aus, blieb aber in der Nähe in Marzahn. Er ließ von seinem Treiben nicht ab. „Die Kinder kamen an den Wochenenden, es gab weitere Übergriffe“, gestand er. Die ältere Tochter allerdings habe sich kaum noch blicken lassen. „Sie wollte es nicht mehr.“ Die jüngere Tochter war 14 Jahre alt, als sie aufgelöst zum Vater kam. „Sie hatte Angst, schwanger zu sein“, sagte der Angeklagte. Das sei Anfang 2012 gewesen. „Ich musste ihr versprechen, dass sie nie wieder solche Angst haben muss.“

Die Mutter hat womöglich nie etwas mitbekommen

Zehn Jahre lang missbrauchte er seine älteste Tochter, in mehr als 2000 Fällen die zweite, sechs Jahre lang auch den heute elfjährigen Sohn. „Hat die Mutter der Kinder nie etwas mitbekommen?“ fragte die Richterin. Es scheint unvorstellbar. Carsten B. aber erklärte, seiner Meinung nach hatte sie keine Ahnung von den Taten. B. ist ein ruhig und freundlich wirkender Mann. Dunkle Haare, Brille, sportliche Figur. Seine jüngeren Kinder haben den Kontakt zu ihm abgebrochen. Die Älteste aber saß mit im Gerichtssaal und umarmte ihn in einer Verhandlungspause tröstend. Sie verweigerte eine Aussage im Prozess. Ihre Schwester aber sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

Diese Tochter hatte den Angaben zufolge die Ermittlungen ins Rollen gebracht. Sie, die bei dem letzten Inzest befürchtete, schwanger zu sein, hatte sich offenbart. Kurz darauf kam es im Sommer 2012 zur Anzeige. Carsten B. stellte sich der Polizei. Er legte ein umfassendes Geständnis ab. Ein Haftbefehl wurde nicht erlassen. Jetzt aber änderte sich die Lage. Nach seinem Geständnis und der Aussage einer Tochter seien Fakten geschaffen. „Es ist mit einer erheblichen Strafe zu rechnen, es besteht Fluchtgefahr“, sagte die Vorsitzende Richterin. Auf Antrag des Staatsanwalts wurde Untersuchungshaft gegen Carsten B. angeordnet. Der Angeklagte habe „Glück gehabt, dass er bisher frei war“.

Die ältere Tochter hatte bei der Polizei erklärt: „Ich will nicht, dass er in den Knast kommt.“ Sie hörte die Entscheidung des Gerichts nun regungslos. Ihre Mutter wird nicht als Zeugin gehört, auch der Bruder nicht. In einem vorläufigen Gutachten heißt es, dass B. voll schuldfähig und sexuell nicht ausschließlich auf Kinder fixiert sei. Der Prozess geht Mittwoch weiter.

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