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Prozess in Rathenow: Staatsanwalt fordert lebenslang für Mord an Eltern

Im Prozess um den im Juni 2010 in Rathenow begangenen Doppelmord an seinen Eltern fordert der Staatsanwalt lebenslänglich. Am Donnerstag soll das Urteil gefällt werden.

Am Ende verzichtete René S. auf sein Schlusswort. In dem Prozess um den im Juni 2010 in Rathenow (Havelland) begangenen Doppelmord an seinen Eltern hatte er alles gesagt und ein umfassendes Geständnis abgelegt – auch wie er die Leichen zerstückelte. Am Dienstag starrte er nur mit gesenktem Kopf vor sich hin, als Staatsanwalt Gerd Heininger vor dem Landgericht Potsdam lebenslange Haft für den 28 Jahre alten, früheren Jura-Studenten forderte. Anwalt Jürgen Schindler-Clausner sprach von Totschlag in minderschwerem Fall und forderte eine Strafe von neun Jahren Haft.

Am Donnerstag will die Strafkammer ein Urteil verkünden. Die Tat bezeichnete der psychiatrische Gutachter Alexander Böhle am Dienstag als „letzten Ausläufer einer eigenen Familiendynamik“. Die Eltern lebten mit ihrem Sohn seit dessen Geburt wie in einer „paranoiden Festung“. Er war mit Klumpfüßen zur Welt gekommen und war stets „überbehütet“. Nach der Wende schotteten die in der DDR beruflich angesehenen, dann aber arbeitslos gewordenen Eltern sich und ihren überaus intelligenten Sohn von der als „feindlich empfundenen“ Welt ab. Es gab nur wenige Bekannte, keine Gefühle, eisiges Schweigen. Der Gutachter bescheinigte dem Angeklagten eine schizoide zwanghafte Persönlichkeitsstörung, was aber keine Krankheit ist, die sich strafmildernd auswirken könnte. Er beschreibt einen Einzelgänger, der emotionslos ist, der Probleme hat mit anderen Menschen, der zwanghaft korrekt ist und distanziert. Am 9. Juni 2010 führte das alles zur „Implosion“. Nachbarn beschrieben das Leben der Familie S. als Gefängnis und wussten, so „wie der Junge erzogen wird, da platzt irgendwann die Bombe“.

Jahrelang hatte René S. das getan, was seine Mutter wollte. Als sein Notendurchschnitt in der fünften Klasse von 1,2 auf 1,5 absackte, musste er zu Hause nachsitzen. Auf Druck der Mutter studierte er nicht Medizin, sondern Jura in Potsdam. Nach acht Jahren hielt er es nicht mehr aus, im November 2009 scheiterte ein Selbstmordversuch, das Studium brach er ab. Für die Eltern war das eine Katastrophe, der Sohn fortan ein Versager, vor allem für die Mutter.

Im Frühjahr 2010 fand S. für sich einen Ausweg, eine Ausbildung zum Finanzfachwirt fernab der Eltern. Als er nach zwei gescheiterten Bewerbungen am 9. Juni zu einem letzten Versuch nach Hamburg fahren wollte, machte es bei ihm nach eigener Aussage „klick“. Erst machte der Vater ihm Vorwürfe, er könne sich den Aufwand sparen. Der Sohn griff zu einem Messer und stach auf den Vater ein. Staatsanwalt Heininger geht von verminderter Steuerungsfähigkeit aus. Auch die Mutter beschimpfte ihn. Er griff zum Hammer und schlug ihr den Schädel ein.

Er fuhr nach Hamburg, doch zurück in Rathenow erfuhr er, es war umsonst. Über Wochen zerstückelte er die Leichen mit einer Kettensäge, den Körper der Mutter teilte er laut Rechtsmedizin mit seltener Sorgfältigkeit in 22 Stücke und versteckte sie in einer Tonne, die Reste des Vaters verbrannte er.

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