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Prozess: Protest-Schwarzfahrer vor Gericht

Im Zug trug er immer ein Schild: "Ich zahle nicht!" und machte das auch wahr. Am Freitag saß der 53-Jährige erneut wegen "Erschleichens von Leistungen" vor dem Amtsgericht.

Wenn Edgar von H. einen U- oder S-Bahnsteig betritt, dann steckt er sich ein Schild ans Revers. Auf den ersten Blick könnte es ein Betriebsausweis sein. Beim näheren Hinsehen aber wird klar, dass er seine nächste Schwarzfahrt öffentlich macht: „Freie Fahrt in Bus und Bahn. Ich zahle nicht!“ Andere Fahrgäste reagieren kopfschüttelnd oder prophezeien ihm Ärger mit den Kontrolleuren. Gestern saß der 53-Jährige tatsächlich erneut wegen „Erschleichens von Leistungen“ vor dem Amtsgericht.

Mehrere Aktenordner brachte der Schwarzfahrer mit. Die 24 Fälle der Anklage gab er freimütig zu. Edgar von H. genehmigt sich seit zwei Jahren einen Nulltarif. Wegen Schwarzfahrens wurde er bereits verurteilt. Sein Verhalten könne er aber nicht korrigieren, sagte der arbeitslose Neuköllner. Es fehle ihm das Geld. Und er glaubt, eine juristische Lücke gefunden zu haben: „Wenn ich das Nichtbezahlen öffentlich mache, ist es kein Erschleichen von Leistungen mehr.“ Er nehme die Fahrten ohne Ticket schließlich nicht heimlich in Anspruch.

Ständig werden ihm Aufforderungen zugestellt, das „erhöhte Beförderungsentgelt“ zu zahlen sowie Anzeigen der BVG. Das eine ist die zivilrechtliche Seite, das andere die strafrechtliche. Er bleibt dabei: „Ich zahle nicht, ich habe nichts.“ Dass ihn sein Schwarzfahrerbekenntnis vor Strafe schützt, gilt als unwahrscheinlich. Das Bundesverfassungsgericht entschied bereits vor elf Jahren, dass das Tatbestandsmerkmal „Erschleichen“ eine weite Auslegung zulasse. Ein Urteil gegen Edgar von H. ist aber vorerst nicht in Sicht. Weil Zeugen fehlten, wurde der Prozess ausgesetzt. K.G.

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