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Der Angeklagte Silvio S. vor dem Potsdamer Landgericht

© dpa/Ralf Hirschberger

Prozess um Tod von Elias und Mohamed in Potsdam: Staatsanwalt fordert lebenslänglich für Silvio S.

"Bestie in Menschengestalt": Im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Elias und Mohamed hat der Staatsanwalt für die Höchststrafe plädiert.

Potsdam - Im Prozess um die Morde an dem sechsjährigen Elias aus Potsdam und den vierjährigen Flüchtlingsjungen Mohamed aus Berlin forderte die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer vor dem Landgericht Potsdam am Montag die Höchststrafe für den angeklagten Silvio S.: lebenslange Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Zudem beantragte Staatsanwalt Peter Petersen die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, damit S. nicht mit einer vorzeitigen Entlassung nach frühestens 15 Jahren rechnen kann. Petersen sah es nach zehn Verhandlungstagen vor der ersten Schwurgerichtskammer als erwiesen an, dass S. nacheinander den sechsjährigen Elias und den vierjährigen Mohamed entführt, schwer missbraucht und umgebracht hat. Strafrechtlich geht es um Entziehung Minderjähriger, schweren sexuellen Missbrauch, Vergewaltigung – vor allem aber um zweifachen Mord.

"Er hätte nicht aufgehört", sagt der Staatsanwalt

Ginge es nach dem Willen des Staatsanwalts, würde S. faktisch nie mehr auf freien Fuß kommen. Petersen hält den 33-Jährigen für eine „tickende Zeitbombe“. Wäre S. Ende Oktober 2015 nicht gefasst worden, wäre er „ein übler Serientäter“ geworden, „er hätte nicht aufgehört“, sagte Staatsanwalt Petersen. Das Handyvideo vom Missbrauch an Mohamed habe S. erst gelöscht, als ihm die Polizei auf den Fersen gewesen sei. Bis zu seiner Festnahme habe S. seine Taten nicht bereut und in seiner Arbeitstasche die Werkzeuge für seine „dunklen Fantasien“ bei sich gehabt. Der Staatsanwalt schilderte ausführlich, welche schwersten seelischen Qualen die Jungen beim Missbrauch durch S. durchlitten und dann beim Ersticken minutenlange Todesängste hätten durchleben müssen. Dies sei das „Schlimmste, was man Menschen antun kann“, sagte Petersen. Elias habe erleben müssen, wie ein „freundlicher Onkel“ zur „Bestie in Menschengestalt“ geworden sei. Und Mohamed habe, als er von S. missbraucht wurde und weinte, gemerkt, „dass er sich in der Hölle befindet“. S. habe Mohamed aus Angst getötet, entdeckt zu werden, sagte der Staatsanwalt. Elias sei vermutlich erstickt, als er von dem Angeklagten gezwungen worden sei, eine Maske und einen Knebel zu tragen. Zwangsläufig muss S. aus Sicht der Anklage wegen seiner Taten als besonders gefährlich eingestuft werden.

Zuvor hatte der Gerichtspsychiater Matthias Lammel S. bescheinigt, nicht pädophil zu sein. Wobei Lammel mit S. nicht über die brutalen Taten gesprochen hatte. Über sein Leben redete S. mit dem Psychiater zwar. Über mehr aber auch nicht – auf Anraten seiner Anwälte. Es gab bislang nur eine Aussage. Das war am 29. Oktober nach seiner Festnahme in seinem Wohnort Kaltenborn, ein kleines Dorf in der Nähe von Jüterbog (Teltow-Fläming). Vernehmern der Polizei hatte er geschildert, wie er den vierjährigen Mohamed am 1. Oktober auf dem Gelände des Berliner Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) entführt, ihn sexuell missbraucht und getötet hat. Auch dass er Elias – der am 8. Juli im Potsdamer Stadtteil Schlaatz verschwand – getötet und dann in seiner Gartenparzelle verscharrt hat, gab er zu. Seither schweigt er.

Der Gutachter schildert S. als Menschen, der immer Außenseiter war

„Ich bin der Überzeugung, dass Kinder als Opfer ausgewählt wurden, weil sie als Opfer für seine ungestillten sexuellen Bedürfnisse leichter mitzunehmen und körperlich besser beherrschbar sind“, sagte Lammel. S. habe seit der Kinderheit ein extrem niedriges Selbstwertgefühl. Der Psychiater schilderte S. als Menschen, der immer Außenseiter war, stets gehänselt und ausgegrenzt wurde; einer, der nie Sex gehabt hat, der Angst hatte, Frauen anzusprechen. Kinder seien für S. die „einzige Zielgruppe, mit der er es aushalten kann. Kinder hätten ihn nie infrage gestellt oder herabgesetzt“. Die extreme Konfliktscheue und Zurückgezogenheit spreche zwar für eine Persönlichkeitsstörung. Diese sei aber nicht so stark, die Steuerungsfähigkeit dadurch nicht vermindert. Daher sei S. voll schuldfähig. Zugleich ließ der Gutachter offen, ob S. nach der Haft in die Sicherungsverwahrung für besonders gefährliche Gewalttäter gehöre. Dazu müsse sich ein Hang zu solchen Straftaten nachweisen lassen – zumindest aus seiner Sicht konnte er das nicht beurteilen. Am Dienstag werden die Plädoyers der Nebenkläger, die die Opfer-Angehörigen vertreten, und der Verteidigung erwartet. Das Urteil soll nächste Woche fallen.

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