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Prozessauftakt: Ehefrau wegen islamistischer Propaganda angeklagt

Die Frau des Sauerlandgruppen-Anführers und ein mutmaßlicher Komplize stehen in Berlin vor Gericht. Der Fall wird überschattet von juristischen Peinlichkeiten.

Von Frank Jansen

Vor der Hauptverhandlung gegen Beschuldigte, die sich mit islamistischen Terrorgruppen eingelassen haben sollen, muss die Justiz eine Panne verkraften, wie es sie in solchen Verfahren nur selten gibt. Von drei Angeklagten werden nur zwei am Freitag vor dem 1. Strafsenat des Kammergerichts erscheinen. Einer, der 32-jährige Deutschtürke Fatih K. aus Kreuzberg, setzte sich in die Türkei ab, nachdem der Bundesgerichtshof im Februar den Haftbefehl ausgesetzt hatte. Die Milde war offenbar ein Fehler. Inzwischen wurde K. gefasst, doch die Auslieferung nach Deutschland zieht sich hin. So lange, dass der Strafsenat nicht mehr warten wollte. Nun müssen zwei Prozesse in derselben Sache geführt werden. Das Verfahren gegen Fatih K. wurde abgetrennt.

Die interessanteste Figur ist allerdings die aus Ulm stammende Angeklagte Filiz G. Als Ehefrau des Anführers der beinahe massenmörderischen Sauerlandgruppe, Fritz Gelowicz, zählt die 29-Jährige auf makabere Weise zur Prominenz der militanten Islamistenszene in Deutschland. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte im März Fritz Gelowicz wegen der geplanten Anschläge mit Autobomben auf US-Einrichtungen in der Bundesrepublik zu zwölf Jahren Haft verurteilt, seine drei Komplizen erhielten Strafen zwischen fünf und ebenfalls zwölf Jahren. Gelowicz’ Frau drohen jedoch, sollte das Kammergericht sie schuldig sprechen, nicht ganz so viele Jahre im Gefängnis.

Die Bundesanwaltschaft wirft ihr und dem zuletzt in Tempelhof wohnhaften Mitangeklagten Alican T. (21) „nur“ vor, sie hätten eine ausländische terroristische Vereinigung unterstützt und für diese Mitglieder und Helfer geworben. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich nicht nur um eine Vereinigung, sondern um ein Netz, in das Al Qaida, die Taliban, der Konvertiten- und Deutschtürkentrupp „Deutsche Taliban Mudschahedin“ sowie die usbekische Islamische Dschihad Union verwoben sind. Letztere hatte die Sauerlandgruppe dirigiert. Filiz G. habe im Internet unter dem Nutzernamen „fisebilillah“ fanatische Texte und Videos in ein islamistisches Forum gestellt, sagen Sicherheitsexperten. Beispielsweise habe G. im Oktober 2009 einen Beitrag der Deutschen Taliban Mudschahedin präsentiert, in dem Soldaten der Bundeswehr angedroht wurde, sie kehrten „einzeln in Särgen“ aus den „besetzten Gebieten“ – gemeint war wohl Afghanistan – zurück.

Ebenfalls im Oktober soll G. über Youtube ein Video verbreitet haben, in dem der deutschmarokkanische Al-Qaida- Mann Bekkay Harrach zum Heiligen Krieg aufruft. Im Dezember seien auf einem von G. eingestellten Video der Islamischen Dschihad Union sogar Kinder zu sehen gewesen, die den Umgang mit Waffen üben, sagen Experten. Einige der Kleinen hätten verkündet, sie wollten „die Ungläubigen von der Erdoberfläche vernichten“.

Filiz G. soll laut Bundesanwaltschaft von März 2009 bis Januar 2010 mehr als 1000 Videos, Texte und eigene Kommentare ins Internet gestellt haben. Außerdem habe sie Propagandavideos veröffentlicht, in denen Muslime aufgerufen wurden, sich Al Qaida, der Islamischen Dschihad Union oder den Deutschen Taliban Mudschahedin anzuschließen. Der Mitangeklagte Alican T. soll von Mai 2009 bis Februar 2010 im Internet 16 Videos verbreitet haben. Und er habe gemeinsam mit Filiz G. der Islamischen Dschihad Union und den Deutschen Taliban Mudschahedin insgesamt 2900 Euro zukommen lassen, sagt die Bundesanwaltschaft. Die Angeklagten Filiz G. und Alican T. haben zu allen Vorwürfen geschwiegen.

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