zum Hauptinhalt
Der ehemalige Schatzmeister der Brandenburger Grünen Christian Goethjes beim Prozessauftakt.

© dapd

Update

Prozessauftakt: Ex-Grüner gesteht: Mit Parteigeldern Prostituierte bezahlt

Der ehemalige Brandenburger Schatzmeister der Grünen, Christian Goetjes, steht seit heute vor dem Potsdamer Landgericht. Im Februar 2011 war er spurlos verschwunden, mit 40.000 Euro aus der Parteikasse in der Tasche. Heute kam ans Licht, wofür er das Geld verwendete.

„Die Geschichte ist der Klassiker: Prostituierte nimmt Freier aus“, sagt Jörg Tiemann, der Vorsitzende Richter der zweiten Strafkammer am Potsdamer Landgericht. Vor ihm auf der Anklagebank sitzt Christian Goetjes, der frühere Schatzmeister der brandenburgischen Grünen. Ihm wird besonders schwere Untreue vorgeworfen. Gleich zum Prozessauftakt am gestrigen Montag legte der 34-Jährige ein umfassendes Geständnis ab. Er habe von Januar 2009 bis Februar 2011 immer wieder Gelder von Partei- auf Privatkonten überwiesen, Bargeld aus der Parteikasse genommen und für zwei Prostituierte ausgegeben – um ihnen aus Notsituationen zu helfen. Insgesamt sind es 274 000 Euro.

Verstehen kann es Richter Tiemann nicht, was Goetjes da getan hat. „Die Geschichte ist so banal, dass sie einem fast den Atem nimmt“, sagt er. „Diese Selbstverständlichkeit, mit der Sie in die Kasse fassen, ist für mich noch nicht nachvollziehbar.“ Alles begann im Jahr 2008. Bis dahin war er schon zehn Jahre lang Schatzmeister seiner Partei. Schon früh hatte er sich politisch engagiert, war Landesschülersprecher, hatte vergeblich versucht, drei Mal sein Abitur nachzuholen und brach wegen der Affären mit einer Prostituierten sein Studium ab. Lange Zeit hatte er noch bei seinen Eltern gelebt, bezog noch bis er 31 Jahr alt war, monatlich 300 Euro Unterhalt von ihnen. Dann aber ging er trotz einer Fernbeziehung zu einer Prostituierten auf dem Straßenstrich in der Kurfürstenstraße in Berlin. Mehrfach traf er sich mit ihr, 50 Euro kostete es jedes Mal. Schließlich wurden sie ein Paar. Für die heroinsüchtige Frau gab er 20 000 Euro aus, um ihre eine Entzugstherapie im Ausland zu bezahlen, die nicht von der Krankenkasse getragen wird. Mit Erfolg. Doch kurz danach trennte er sich von der Frau, wegen ihrer psychischen Probleme.

Kurz darauf lernt er als Freier die nächste Prostituierte kennen, eine Bulgarin. Auch mit ihr hatte er mehrfach bezahlten Sex, auch mit ihr freundete er sich an. Sie erzählte ihm, dass sie Schulden habe, ihre Familie in Bulgarien von Kredithaien bedroht werde und sie deshalb auf den Strich gehe. Wieder half Goetjes mit Geld der Partei. Insgesamt sind es 200 000 Euro. Und er kaufte mit Möbel für eine gemeinsame Wohnung und mietete Oberklasse-Wagen. Mitte 2010 sei ihm klar geworden, dass er auffliege. Zumal im Herbst 2011 im Grünenvorstand eine Email der Bundespartei aufgetaucht sei, worin es um geplatzte Lastschrifteinzüge von den nicht gedeckten Parteikonten ging. „Ich hatte gedacht, dass es schon viel früher auffliegt, aber es passiert nichts“, sagte Goetjes. „Ich hatte Suizidgedanken, die im Frühjahr 2011 konkret wurden.“ Erst später fand er heraus, dass die Geschichte der Frau erfunden war und dass ihn die Bulgarin ausgenommen hatte.

Warum er sich aber darauf einließ, konnte Goetjes nicht abschließend erklären. Er habe die Frauen sympathisch und attraktiv gefunden, ihnen helfen und mit ihnen zusammen sein wollen. Das wäre doch auch möglich gewesen, sagte der Richter – „für 50 und nicht für 250 000 Euro“. Mehrfach fragte der Richter nach, was Goetjes bezweckt habe, ob er unerfahren gewesen sei oder Anerkennung als spendabler Mann gesucht habe. Und wie er gerade als mit dem politische Hintergrund seiner Partei trotz der herrschenden Zwangsprostitution auf dem Straßenstrich in Berlin zu einer Osteuropäerin gehen konnte?

Goetjes sagte, er habe davon nichts gewusst. „Ich muss gestehen, dass mein Handeln auch für mich selber heute schwer nachvollziehbar ist. Ich bedaure das und möchte mich entschuldigen für den finanziellen und politischen Schaden.“ Mit den Grünen hat er sich notariell darauf geeinigt, 65 000 Euro zurückzuzahlen, 35 000 Euro sind schon überwiesen. Monatlich zahlt er mit Hilfe der Eltern 1000 Euro ab. Die Partei hat ein strenges Vier-Augen-Prinzip für die Parteigelder eingeführt. Am 15. November soll das Urteil gefällt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false