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Prozessbeginn: Pillen zum Nulltarif: Arzneimittel-Affäre kommt vor Gericht

Fünf Justizbedienstete der JVA Moabit haben Medikamente aus der Gefängnisapotheke entwendet. Der Fall führte zu erheblichen Turbulenzen in der Justizverwaltung.

Aus juristischer Sicht ist es ein eher kleiner Fall: Vier Männer und eine Frau sollen gestohlen und einen Schaden von rund 2230 Euro angerichtet haben. Doch hinter der Strafsache, die am Freitag vor dem Amtsgericht Tiergarten verhandelt werden soll, steckt ein Skandal, der zu erheblichen Turbulenzen in der Justizverwaltung führte und eine Untersuchungskommission nach sich zog. Es geht um „Selbstbedienung“ am Medikamentenvorrat in der Justizvollzugsanstalt Moabit.

Auf der Anklagebank werden drei Pfleger – einer von ihnen ist inzwischen pensioniert – sowie eine Krankenschwester und ein Vollzugsmitarbeiter in Alter zwischen 40 und 64 Jahren sitzen. Sie sollen sich von Mai 2005 bis September 2006 Medizin zum Nulltarif besorgt haben. Während die Krankenschwester laut Anklage einmal zwei Medikamentenpackungen im Wert von insgesamt 64,65 Euro eingesteckt habe, werden einem 52-jährigen Pflegevorsteher 15 Fälle vorgeworfen. Dabei soll jeweils einer der drei weiteren Angeklagten beteiligt gewesen sein. Es seien vor allem blutdrucksenkende Mittel wie „Diovan“ oder „Baymycard“ entwendet worden. Die Arzneien seien für den eigenen Bedarf gewesen.

Die Medikamentenaffäre war im Januar 2007 bekannt geworden. Zwei Wochen später trennte sich Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) von ihrem Staatssekretär Christoph Flügge. Zudem wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt. Nach zweimonatiger Arbeit lag ein Bericht vor, in dem von erheblichen Mängeln die Rede war. Die Kommission warf der Justizverwaltung vor, ihre Fachaufsicht nicht hinreichend ausgeübt zu haben. Die Organisation der Medikamentenversorgung in der Haftanstalt sei katastrophal und öffne einem Missbrauch Tür und Tor.

Die Anstaltsleitung hatte im September 2006 Strafanzeige wegen verschwundener Medikamente gestellt. Da soll der Vorwurf gegen eine Krankenschwester jedoch schon einen Monat bekannt gewesen sein. Ein wichtiger Zeuge sei im Urlaub gewesen, hieß es später. Nachdem die Staatsanwaltschaft umgehend die Ermittlungen gegen fünf Justizbedienstete aufgenommen hatte, ordnete der damalige Staatssekretär Flügge eine Innenrevision an: in den Haftanstalten Plötzensee, Tegel, in der Jugendstrafanstalt – allerdings nicht in Moabit.

Zeitweise ging das Gerücht um, dass sich zahlreiche Justizbedienstete an den Medikamenten bedient hätten. Es wurde nicht ausgeschlossen, dass der Schaden mehrere hunderttausend Euro betragen könnte. Bewiesen wurden lediglich die rund 2230 Euro, zugleich aber ein schlampiger Umgang mit Arzneien. Bestellungen und Abrechnungen sollen nur lückenhaft dokumentiert worden sein. Die Justizverwaltung reagierte mit einer verschärften Regelung bei der Medikamentenversorgung von Gefangenen. Für den Prozess hat das Gericht bislang nur einen Verhandlungstag anberaumt.

Kerstin Gehrke

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