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Berlin: Prunk’n’Pop

Elektronikmusik unterm Kronleuchter? Der WMF-Club will’s möglich machen. Sein „Apollo Saal“ in der Staatsoper fand jetzt erstmals statt – doch mancher erschrak vor der Kulisse

Hector Berlioz sah in der Mailander Oper „L’Elisir d’Amore“ – „der Liebestrank“ von Gaetano Donizetti – und schrieb: „Ich fand den Saal voll mit Leuten, die sehr laut redeten und der Bühne den Rücken kehrten.“ Und er entsetzte sich über den Lärmpegel: „Es war wegen des Lärms im Zuschauerraum unmöglich, einen anderen Ton zu hören als den der großen Trommel.“ Am Donnerstagabend wäre es ihm in der Staatsoper wohl ähnlich ergangen. Denn als die Opernbesuchern nach dem „Liebestrank“ das Haus verließen, standen draußen vor Eingang R ganz andere Gäste und warteten auf die Premiere vom „Club Apollo Saal“. Dort, wo im Bankettsaal Friedrichs des Großen normalerweise Bälle und Empfänge abgehalten werden, öffnete erstmals ein Tanzlokal, wummerte Elektromusik, flackerten grün-gelb- orangene Lichtblitze über zehn Meter hohe Wände und korinthische Säulenpaare.

Für 500 Gäste hatten die Veranstalter vom WMF-Club, der sein Domizil normalerweise im Café Moskau in der Karl-Marx-Allee hat, geplant, mehr durften vorher noch nie in den Saal. Das ganze Vorverkaufskontingent war schon am Dienstagabend weg. Die restlichen reichten an der Abendkasse gerade mal zwanzig Minuten lang. Viele Wartende bekamen keine Karte mehr. „Das war ein Test“, sagte Birgit Herda vom WMF, „jetzt wollen wir mal sehen, ob unsere Besucher nicht dünner sind und dann mehr reinkommen.“ Sie schmunzelt. Klar geht das. Eine, die wiederkommen will, ist Monika Kovolik. Die 27-Jährige war begeistert, „das ist super hier“, sagte sie. „Das hat Niveau“. Auch Nikita Sebastian freute sich über die neue Idee – die für ihn auch noch einen extremen Standortvorteil hat: Sebastian ist Tänzer im Staatsoper-Ballett. Ihm waren die Räumlichkeiten bestens vertraut.

Viele andere sahen sich im Angesicht von Kronleuchter, klassischer Säulenkulisse und Stuckfassaden zunächst überwältigt. Hier tanzen? Zu Elektrosound? Also versuchte die Gesellschaft auf ihre Art, die etwa 325 Quadratmeter zu erobern. Kleine Grüppchen setzten sich auf den Boden, andere Besucher lehnten an den mächtigen Säulen oder suchten auf Sofas und Sesseln aus dem WMF-Fundus ein Plätzchen. Eine Besucherin konnte nicht widerstehen und hängte sich im Gang an einen Kronleuchter – und landete zur Strafe vor der Tür. Auch das DJ-Team musste sich erst an den Raum herantasten. Acid Pauli alias DJ Martin Kretschmann war richtig nervös. Wie der Raum aussah, hatte er erst vor zwei Tagen erfahren, als ihm jemand einen Flyer zumailte. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich vielleicht etwas andere Musik vorbereitet. Hier weiß man ja noch nicht einmal, ob die Leute tanzen werden.“ Doch irgendwann wurden Saal und Gäste dann doch warm. Die WMF-Veranstalter waren zufrieden. Ein gelungener Anfang. Und die Menge tanzte bis tief in die Nacht zum Ton der „großen Trommel“, wie Berlioz gesagt hätte.

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