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Berlin: Psychologie der Bescheidenheit: Neu eröffnete Landesvertretung ist offiziell Teil der Senatskanzlei

Als der Senat vor ein paar Jahren auf die Idee kam, sich auch in Berlin eine eigene Landesvertretung zu leisten, hagelte es Vorwürfe nach dem Motto: Wozu der kostspielige Protz? Gestern, bei der Eröffnung derselben, sah man nur noch strahlende Gesichter.

Als der Senat vor ein paar Jahren auf die Idee kam, sich auch in Berlin eine eigene Landesvertretung zu leisten, hagelte es Vorwürfe nach dem Motto: Wozu der kostspielige Protz? Gestern, bei der Eröffnung derselben, sah man nur noch strahlende Gesichter. Doch an der Fassade des schönen Backsteingebäudes aus den Gründerjahren prangt die Bezeichnung "Außenstelle der Senatskanzlei" - Psychologie der Bescheidenheit. Und eine richtige repräsentative Berlin-Vertretung wie in Bonn ist es auch gar nicht. Für Empfänge und Festivitäten hat Diepgen das Rote Rathaus.

Zwischen dem Bezug des einstigen Direktorenhauses der Charité in der Wilhelm- Ecke Dorotheenstraße und dem Eröffnungsempfang vergingen neun Monate. Den Gästen - Bundestagsabgeordnete, Vertreter von Bundesministerien und Ländern - war das Haus längst als prima Adresse vertraut. Es wurde rasch zum Treffpunkt für allerlei Gesprächszirkel und Pressekonferenzen. Die beste Werbung ist die Lage, einen Katzensprung vom Bundestag entfernt. Die Politik lebt heutzutage von der Kommunikation. Da sind die kurzen Wege im Regierungsviertel von Vorteil. Eberhard Diepgen lud ausdrücklich die Bundesorgane dazu ein, das Haus fleißig zu nutzen. Und da in dem Gebäudekomplex auch noch die Humboldt-Universität Institute hat, verwies er ganz nebenbei auf die wahre Hauptstadt-Verbindung von Politik und Wissenschaft.

So eine "Kontaktbörse" braucht man im komplizierten Debatten-, Beratungs- und Entscheidungsgetriebe von Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung. Staatssekretär Gerd Wartenberg, der Bevollmächtigte des Landes Berlin beim Bund, brachte es auf den Begriff, als er an das Wort Theodor Eschenburgs vom "Parlament der Beamten" erinnerte. So beschrieb schon der Altvater der Grundgesetz-Experten, dass schließlich die Beamten die Gesetze vorbereiten. Kurzum, jedes Land hat seine Vertretung, die tüchtig Lobbyarbeit im schier undurchschaubaren Politikbetrieb leisten muss. Das müssen auch Wartenberg und seine Mitarbeiter tun.

Diepgen philosophierte über die zwei Seiten einer Medaille: Bundesfreundliches Verhalten der Länder und länderfreundliches Verhalten des Bundes - "besonders, wenn ein Land Hauptstadt ist", fügte er ironisch hinzu. "Wir sind immer bundesfreundlich", versicherte er mehrdeutig. Es war nicht zuletzt eine Anspielung auf die Presseberichte über sein schlechtes Verhältnis zum Bundeskanzler. Natürlich gebe es Wünsche, Forderungen, harte Interessengegensätze im "kooperativen Föderalismus, aber: "Die Personalisierung ist Unsinn!" Privat würde Diepgen sagen: "Blödsinn!"

Sparsamkeit demonstriert die kleine Landesvertretung, die für gut fünf Millionen Mark hergerichtet wurde, mit Noblesse. Kein einziges Möbelstück wurde neu gekauft, alles aus der Bonner Landesvertretung herbeigeschafft, bis hin zu abgewetzten Edelteppichen. Darunter sind schöne Stücke aus der Biedermeierzeit wie eine Standuhr, Tische, Stühle - und aus der Gründerzeit eine Art verkleidetes Grammophon, ein Symphonion oder Musikschrank. 22 Büroräume verteilen sich über drei Etagen, der große Saal nicht mitgerechnet, der in drei kleinere unterteilt werden kann. Wenn Wartenbergs Mitarbeiter alle da sind, werden es 25 oder 28 sein. Noch pendeln etliche. Aber am 14. Juli ist die letzte Bundesratssitzung in Bonn. Dann zieht die Länderkammer in das einstige Preußische Herrenhaus in der Leipziger Straße um, und die Landesvertretung in Bonn wird endgültig aufgelöst. Die edelsten Teile des Inventars, Leihgaben, gehen zurück an Berliner Museen. Das Grundstück mit Verwaltungsgebäude und Gästehaus steht seit langem zum Verkauf.

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