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Das Rote Kreuz behandelt viele junge, betrunkene Fans.

© DRK/jan Holste

Public Viewing zur EM: Enthemmte Fanmeile: Sanitäter im Dauereinsatz

DRK-Helfer wappnen sich für Halbfinal-Event. An den vier Veranstaltungstagen hat die Polizei 155 Menschen festgenommen.

Wenn die deutsche und die italienische Fußball-Nationalmannschaft am Donnerstagabend um den Einzug ins Finale spielen, sind auch Berlins Sanitäter bei der nächsten Fanmeile im Großeinsatz. „Am Freitag beim Spiel Deutschland gegen Griechenland mussten wir auf der Fanmeile noch zehn Kollegen nachordern“, sagt Sprecher Rüdiger Kunz vom Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Die ursprünglich 100 ehrenamtlichen Ersthelfer und Rettungsassistenten sowie fünf Notärzte griffen in den vier Unfallhilfestellen 325 Mal ein. 38 Patienten wurden in eine Klinik gebracht.

„Damit hatten wir mehr Einsätze als bei den Vorrundenspielen, aber man muss das auch im Verhältnis zu den 450 000 Besuchern der Fanmeile sehen“, sagt Kunz. Das DRK ist allein zuständig für den Sanitätseinsatz bei der Fanmeile. Die Zahlen bei den Vorrundenspielen lagen laut Kunz leicht unter denen früherer EM- und WM-Fanmeilen. Beim EM-Finale 2008 (Deutschland-Spanien) hatte es bei ähnlich vielen Fanmeilengästen 534 Hilfeleistungen und 35 Transporte gegeben. Wie das DRK verzeichnete auch die Feuerwehr beim jüngsten Viertelfinalspiel einen Anstieg der Rettungseinsätze: Mit 46 lagen sie über den Zahlen der Vorrundenspiele (zwischen 17 und 22).

Nach der Partie Deutschland gegen Niederlande - so feierten die Fans:

An den vier Veranstaltungstagen hat die Polizei 155 Menschen festgenommen. Es gab 145 Strafanzeigen, etwa wegen Waffen, Drogen, Böllern, Beleidigungen, Körperverletzungen – und zwei Fälle von Exhibitionismus. Zehn Anzeigen wurden fällig, weil Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gezeigt wurden. An den vier Veranstaltungstagen wurden 20 Personen verletzt, darunter drei Polizisten, fünf Beteiligte an Straftaten und zwölf Unbeteiligte.

Deutsche und griechische Fans beim EM-Viertelfinale:

Nach Einschätzung der Polizei verliefen die Fanmeilen dennoch friedlich: Angesichts der Vielzahl von Menschen liege die Zahl der Festnahmen und Strafanzeigen im durchschnittlichen Bereich. Ein 24-jähriger Mann aus Lettland war am Rande der Fanmeile am Freitag von einem Unbekannten mit einem Messer lebensgefährlich verletzt worden.

Wie Berlin den deutschen Sieg gegen Portugal feierte:

Der DRK-Einsatzleiter, der die Veranstaltungen systematisch abläuft, bestätigt Augenzeugenberichte nicht, wonach die Stimmung generell aggressiver geworden sei. „Bei der EM 2008 haben unsere Helfer schon mal von alkoholisierten Fans ein Bier ins Gesicht gekippt bekommen, so was gab es diesmal noch nicht“, sagt Kunz. Generell habe sich die Fanmeilenkultur nach der Premiere bei der WM 2006 geändert. Damals feierten internationale Touristen mit, und die seien auch bei „extremen Niederlagen mit hängendem Kopf davongetrottet“. Beim deutschen Publikum gebe es teils eine andere Feier- und Trauerkultur, und „gerade die jungen Gäste testen gern ihre Grenzen aus“. Die Folge seien Schnittwunden, blaue Augen oder Kreislaufzusammenbrüche. Die Patienten seien meist viel jünger als der durchschnittliche Fanmeilengast. „Und meist ist zu viel Alkohol die Ursache.“

Am Freitag nahm die Polizei 50 Fanmeilen-Besucher fest, rund um den Ku’damm waren es 31. Die Festgenommenen hatten Kreuzungen blockiert und mit Flaschen oder Böllern geworfen. Nach dem Spiel hatten sich am Ku’damm etwa 1000 Fans mit 150 Autos versammelt. Einen Autokorso hatte die Polizei verhindert.

Mehr rechtsextreme Verfehlungen als bei vergangenen EMs seien nicht auszumachen – allerdings ist „Studien zufolge auch bei fröhlichem Nationalismus automatisch die Ausgrenzung anderer integriert“, sagt Ulf Bünermann von der Mobilen Beratung gegen Rechts. kög/tabu

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