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Berlin: Pumpen-Schulze ist 100

Der älteste Kraftfahrzeug-Meister der Stadt reparierte seine ersten Autos in den 20er Jahren

Die ersten 100 Jahre sind die schwersten. Soll Einstein gesagt haben. Sagt zumindest Pumpen-Schulze. Einstein ist zu früh gestorben, um seine These überprüfen zu können. Richard Schulze, Vorkämpfer der Diesel-Einspritzpumpe und Nestor des Berliner Kfz-Handwerks, weiß seit gestern, dass Einstein Recht hat. In den ersten 100 Jahren macht man ja auch ein paar Fehler. Einer seiner größten war, mit 75 Jahren einen Teilhaber ins Unternehmen zu holen. „Der hat den Betrieb zu 70 Prozent zerstört“, schimpft Pumpen- Schulze auf seiner Geburtstagsfeier im Hotel Unter den Linden. Das wurmt ihn immer noch.

Richard Schulze ist ein Hundertjähriger mit klarem Verstand und guter Konstitution. Intuitiv möchten seine Gäste ihn stützen und ihm aufhelfen, aber der kleine Mann mit den tiefen Augenhöhlen wehrt alles ab. „Gehen kann ich alleine.“ Nur mit dem Hören klappt es nicht mehr so – „Sie wissen ja, der Hörsturz vor 35 Jahren.“

Seine Firma „Pumpen-Schulze“ nahe der Potsdamer Straße beschäftigte zeitweise 80 Mitarbeiter und war damit die größte Kfz-Werkstatt in West-Berlin. Einspritzpumpen für Dieselmotoren waren sein Spezialgebiet.

Da traute sich sonst keiner ran. 1932 gründete Richard Schulze seinen ersten Betrieb. Bald kam er an große Auftraggeber wie Reichspost, Reichsbahn oder die Backwaren-Firma Wittler aus Wedding. Schulze hatte bei Siemens und Bosch gelernt und kannte sich bestens mit den neuen Zünderapparaten und Lichtmaschinen aus. „30 000 Reichsmark Gewinn haben wir jedes Jahr gemacht.“ Schulze leistete sich einen Mercedes und sparte auf ein eigenes Firmengrundstück.

Im Krieg hatte er zunächst Schwierigkeiten, weil er nicht in der Partei war. Doch an einem Spezialisten wie Pumpen-Schulze kamen auch die Nazis nicht vorbei. Nach der Besetzung von Paris war die Wehrmacht auf französische Depots mit leichten Kettenfahrzeugen gestoßen. In einer Runde mit Rüstungsminister Speer wurde beraten, wie man die Fahrzeuge zu kleinen Panzern umrüsten könnte. Man zitierte Richard Schulze herbei und hörte sich seine Vorschläge an. In der Folge musste er nach Paris reisen und dort eine Werkstatt leiten. Auch die Ostfront brauchte einen funktionierenden Wartungsdienst für Lkw und Panzer. Also gründete Schulze eine Zweigstelle in Vilnius. Nach dem Zusammenbruch fing er wieder von vorne an, zunächst im Ostteil der Stadt, später im Westen.

Sein großes Vorbild ist der Unternehmer Robert Bosch. Schulze spricht den Namen zackig aus, mit rollendem „R“ und langem „Sch“. Bosch wusste, was er wollte und wohin die Reise geht. Genau wie Pumpen-Schulze. In der Firma war er ein Patriarch, heißt es. Seine beiden Söhne, heute 60 und 53 Jahre alt, hatten es nicht leicht mit ihm. „Ehrlich und korrekt“ sei er gewesen, sagt Schulze über sich. Und natürlich sehr arbeitsam. Auf seinem ersten Lehrzeugnis steht: „Er war stets strebsam und fleißig. Sein sittliches Betragen war lobenswert.“

Die Lehrstelle hatte ihm seine Mutter verschafft. Als Kriegerwitwe lebte sie von einer kleinen Rente und verdiente sich bei Siemens etwas dazu. „Du bist zwar zu klein, aber deine Mutter ist eine gute Frau“, sagte ihm der Meister und stellte ihn ein.

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