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Berlin: Puppen aus dem Knast

Die JVA Tegel verkauft ihre Produkte jetzt in einem Laden

„Ich würde den ohne Mayonnaise nehmen“, empfiehlt der junge Mann in weißer Kochjacke an seinem Stand einen Salat zur Bulette. „Bezahlen müssen Sie nebenan beim Kuchen“, sagt der Verkäufer mit dem sympathisch offenen Gesicht – der einzige Gefangene, der gestern in der Seidelstraße 41 raus durfte. Dorthin hatte die Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel ab 10 Uhr eingeladen, um erstmals vorzustellen, was hinter ihren hohen Mauern produziert wird.

Die Buletten, Salate, leckere Blechkuchen, Schrippen und Stangenbrote gehörten dazu. „Da haben wir gleich was zum Kaffee“, sagten drei alte Damen und reihten sich in die wachsende Schlange der Pflaumen- und Streuselkucheninteressenten. Viele machten es sich auch gleich an Ort und Stelle an den langen Biertischen gemütlich, die im Hof des JVA-Gebäudes mit ehemaligen Dienstwohnungen aufgestellt waren. Im Hausgärtchen nebenan baumelten weiße Unterhosen von der Leine – eine fast perfekte Idylle. Wenn man besagte hohe Mauern im Hintergrund übersieht.

Etwa 1700 mehr oder minder „schwere Jungs“ sitzen dort von zwei Jahren bis lebenslänglich ihre Strafen ab, Diebe, Mörder, Räuber. Sie sitzen aber nicht nur, sie arbeiten auch. In 14 Handwerksbetrieben wie Bäckerei, Buchbinderei, Malerei, Polsterei, Schlosserei, Schuhmacherei, Tischlerei und Gärtnerei. Tüten werden nicht mehr geklebt, sagte gestern Gerhard Froschauer, Leiter des JVA-Werkdienstes, in der Ausstellung, mit der man sich „nach außen“ öffnen möchte.

Nicht nach innen – so hatten einige Besucher die Einladung zum „Tag der offenen Tür“ missverstanden. Statt „mal den richtigen Knast“ bekamen sie liebevoll gebundene – und sofort ausverkaufte – Biedermeiersträußchen, Gartenkräuter und -pflanzen präsentiert, steinerne Kamine, eiserne Gartengrills und -möbel. Auch nostalgische Puppensofas und hölzernes Spielzeug – vom Kasperletheater, Kaufmannsladen und Schaukelpferd bis zur Eisenbahn. In Tiffanytechnik gestaltete Glasarbeiten gab es ebenso, wie Schränke, Regale und andere nützlichen Gegenstände aus Metall. Eine ausgestellte Mini-Ernte-oder-sonstwas-Maschine ließ einen jungen Vater schier verzweifeln - sein Dreikäsehoch von Sohn war nicht davon wegzubringen. Wie schön Gitter sein können, wurde auch gezeigt – die eisernen Gartenzäune konnte man wie alles kaufen oder bestellen, auch mit Sonderwünschen. Dies jetzt ständig, geöffnet ist montags von 13 bis 16 Uhr, donnerstags von 14 bis 18 Uhr und freitags von 9 bis 12 Uhr.

Auch etwas vom echten Knast gibt es dort zu erwerben – Gitterstückchen, durch die 1895 die Knackis in den Himmel schauten – „Bei uns sitzen Sie sicher“, steht auf dem Zertifikat. hema

Das Gefängnis im Internet:

www.berlin.de/jva-tegel/

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