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Berlin: Quadriga: Irgendwie vernünftig süddeutsch

Die aktuellen Trends der Berliner Gastronomie lassen sich mit wenigen Worten beschreiben: 1. Teuer.

Die aktuellen Trends der Berliner Gastronomie lassen sich mit wenigen Worten beschreiben: 1. Teuer. 2. Elegant. 3. Gut. Dennoch wird von den zahlungskräftigen Gästen längst nicht alles angenommen, zumal, wenn es an der falschen Stelle der Stadt steht. Das Scheitern des Gourmet-Konzepts im "Stil" an der Kantstraße beispielsweise lässt wieder einmal alle Lobeshymnen auf die alte City-West wie Regenmacherei aussehen.

Dennoch gibtes auch in ziemlich abseitigen Winkeln der West-Innenstadt durchaus Spitzenrestaurants, die als etabliert gelten können - sie sind nicht zu groß und schon so lange auf dem Markt, dass sie nicht in der Gendarmenmarkt-Hysterie untergehen. Die "Quadriga" im lauschigen Brandenburger Hof ist in diesem Sinn nach nur wenigen Jahren fast schon ein Relikt aus der Gründerzeit der Groß-Berliner Spitzengastronomie. Küchenchef Wolfgang Nagler hat sich den Michelin-Stern und die zweifache Auszeichnung als "Berliner Meisterkoch" redlich erkämpft und darf trotz seiner zurückhaltenden Art als einer der Stars der Berliner Szene gelten. Er steht mit seinem Restaurant gegenwärtig irgendwo in der Mitte zwischen den diskret-winzigen Feinschmecker-Adressen der 80er Jahre und den neuen, mit Millionenaufwand gestemmten Imponierhallen.

Auch der Stil dieser Küche ist in den Jahren ziemlich konsequent auf Mittelkurs geblieben. Nicht so betont reduziert wie im "Vau", aber auch nicht so reichhaltig überbordend wie in den meisten anderen neuen Luxusrestaurants. Sondern irgendwie vernünftig süddeutsch. Nagler kommt von dort drunten, und deshalb ist er vor allem beim Umgang mit Fleisch und Fleischsaucen kaum zu schlagen: Über die Kaninchenconsommé mit Ricottaravioli, den Rehbock auf Krautschupfnudeln oder die in Jasmintee geräucherte Taube mit Rahmkohlrabi können wir nur in höchsten Tönen des Wohlgefühls schwärmen. Perfekt.

Die zweite große Stärke dieser Küche sind die Desserts. Während sich fast alle anderen guten Köche darauf versteifen, ihre Teller mit kunterbunten - und leider oft beliebigen und durchaus nicht unvergesslichen - Variationen über ein Thema hochzumöbeln, dominiert hier die Suche nach der richtigen, optimalen Kombination. Dann gibt es beispielsweise eine zart schmelzende und dennoch intensive Praliné-Eistorte mit Kirschen, sehr aromatypisches Holunderblütenparfait mit gebackenen Erdbeeren und Rhabarber oder eine denkwürdige gratinierte Limettencreme mit Bananensalat und Passionsfruchtsorbet.

Das macht in Berlin niemand besser. Gewisse Vorbehalte haben wir dagegen bei den Vorspeisen, die uns manchmal ein wenig verkrampft kreativ vorkommen. Kingfish in Zitronenthymian auf Glasnudeln und Sprossen - das klingt aufregender als es schmeckte, weil asiatische Küche mit sehr dezent europäischer Würzung keinen richtigen Sinn gibt und in diesem Rahmen wohl generell eher fehl am Platze ist. Die kalt angerichteten Scheiben vom gelierten Ochsenschwanz mit Spargel umgekehrt brachten zwar klaren, typischen Wohlgeschmack, ermüdeten den Gaumen aber schnell. Qualitativ dazwischen, auf technisch wie geschmacklich sehr hohem Niveau schließlich die Fischgerichte wie Rotbarbe auf Keniabohnen oder das klassische Leipziger Allerlei, das durch entschlossenere Würzung sicher noch eine Winzigkeit gewonnen hätte. Insgesamt wünschen wir uns noch einen Schubs, der alle Gerichte so sensationell schmecken lässt wie Fleisch und Desserts. Teuer? Aber sicher. Hauptgerichte kosten um 55, Vorspeisen um 35 Mark.

Der Service arbeitet ohne Fehler und nervt nie mit irgendwelchen Aufdringlichkeiten oder umständlichen Ansagen. Er könnte manchmal sogar gern ein wenig offensiver ans Werk gehen, zumal die originell ausgewählten und nicht überteuerten Weine - viel Italien, Übersee - erklärungsbedürftig sind. Dass auch einige offene Weine angeboten werden, erwies sich indessen als Bumerang, denn unsere Frage nach einem Glas Rotwein zum Fleisch wurde mit dem lakonischen Hinweis auf die drei (nicht übermäßig interessanten) offenen Roten aus der Karte abgetan; andere Restaurants sind da souveräner und machen auch mal was Passenderes auf. Aber dieses hier ist eben auch besonders klein.

Allerdings nicht ganz so klein wie früher: Inzwischen werden auch im Wintergarten, der an das eigentliche Restaurant angrenzt, einige Tische eingedeckt. Dort sitzt man mit Blick auf den stilvollen japanischen Garten besonders angenehm. Eine Metropolen-Oase, insgesamt. Teuer, elegant und gut.

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