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Michael Müller ist jahrelanger Weggefährte von Klaus Wowereit. Nun könnte er Senator werden - doch wer die Nachfolge des Fraktionschefs übernehmen soll, ist unklar.

© dpa

Qual der Wahl: SPD-Fraktionschef oder lieber Senator?

Michael Müller führt seit mehr als zehn Jahren die Berliner SPD-Fraktion - jetzt könnte er Senator für Stadtentwicklung oder Wirtschaft werden. Doch seine Nachfolge steht noch offen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wer führt nach der Bildung eines rot-schwarzen Senats die größte Regierungsfraktion? Noch zögert Michael Müller, seit über zehn Jahren SPD-Fraktionschef, den wichtigen Posten abzugeben. Er hätte schon 2006 in die Landesregierung wechseln können, er wäre 2009 fast Bundestagsabgeordneter geworden, und jetzt könnte Müller zwischen zwei Senatsressorts wählen: Stadtentwicklung oder Wirtschaft. Sollte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit als Kanzlerkandidat der SPD 2013 das Rote Rathaus verlassen, gilt Müller als der momentan einzig mögliche Nachfolger.

Der 46-jährige Tempelhofer ist enger Weggefährte Wowereits. Seit 2004 ist Müller auch SPD-Landeschef und hält dem Regierenden in Partei und Fraktion den Rücken frei. Fragt man Müller, was die wichtigste Eigenschaft eines Fraktionschefs ist, sagt er: „Den Laden zusammenzuhalten“. Sowohl der SPD-Landesverband als auch die Abgeordnetenhausfraktion sind eine bunte Truppe. Mit einer breit gefächerten linken Strömung, von knallhart Links bis Kuschellinks. Mit einer eng taillierten Mitte und einer bescheidenen Parteirechten, die mit der „Berliner Mitte“ und dem „Aufbruch“ in zwei Teile zerfällt.

Dilek Kolat hätte guten Chancen. Will aber lieber Senatorin werden.
Dilek Kolat hätte guten Chancen. Will aber lieber Senatorin werden.

© Thilo Rückeis

Da gerät man als Führungsperson nicht selten in den Mahlstrom innerparteilicher Interessensgegensätze und Machtansprüche. Dass Müller in beiden Funktionen politisch überlebte, spricht dafür, dass er zumindest die Rolle des Mediators beherrscht, der ausgleicht und die Ausreißer einfängt. Wowereit schätzt ihn so sehr, dass Müller „werden kann, was er will“ – soweit es in den Machtbereich des Regierenden fällt. Aber dem Sprung in den Senat steht noch entgegen, dass der potenzielle und selbsternannte Nachfolger als SPD-Fraktionschef der Spandauer Kreisvorsitzende Raed Saleh ist. Der 34-jährige Parteilinke, geboren im West-Jordanland, gilt parteiintern als grundsympathische Stimmungskanone. Fleißig, intelligent, integrationspolitischer Sprecher der Fraktion. Aber auch sprunghaft, polarisierend. Selbst die SPD-Linke ist gespalten, wenn es um Salehs Karriere geht. Es dürfte ihm schwer fallen, für die Wahl zum Fraktionsvorsitz eine stabile Mehrheit zu organisieren. Zumal er den 41-jährigen Rechtsanwalt und Finanzexperten Torsten Schneider zum Fraktionsgeschäftsführer machen will. Ein nicht minder lebens- und angriffslustiger Linker, ein politisches Talent, aber aus Sicht mancher Genossen schwer sozialisierbar.

Auf der 2. Seite lesen Sie wer gute Chancen hat, Müller zu beerben.

Raed Saleh möchte als Fraktionschef antreten. Aber er gilt als sprunghaft.
Raed Saleh möchte als Fraktionschef antreten. Aber er gilt als sprunghaft.

© Mike Wolff

Die bisherige Vize-Fraktionschefin Dilek Kolat hätte bessere Karten gehabt, Müller zu beerben. Die einflussreiche SPD-Kreisvorsitzende aus Tempelhof-Schöneberg, die innerparteilich bestens vernetzt ist, will doch lieber Senatorin werden. Da der parteilose Ulrich Nußbaum beim Finanzressort im Wege steht, könnte sie Sozialsenatorin werden. Weitere ernsthafte Kandidaten für den Fraktionsvorsitz gibt es bei den Sozialdemokraten aber nicht. Es fehlt an erfahrenen, profilierten Kräften für den schwierigen Job. Bei den Wahlen 2006 und 2011 wurde jeweils ein Drittel der SPD-Abgeordnetenhausfraktion ausgetauscht. Supertalente, die sofort ins kalte Wasser springen könnten, sind bei den Neulingen nicht in Sicht.

Auch der SPD-Verkehrsexperte und noch amtierende Fraktionsgeschäftsführer Christian Gaebler, der in der vergangenen Wahlperiode als Müller-Nachfolger gehandelt wurde, geht nun andere Wege. Erstens wurde der 46-jährige Kreischef in Charlottenburg-Wilmersdorf nicht mehr ins Landesparlament gewählt, zweitens ist er darüber nicht traurig, weil er beispielsweise Staatssekretär werden könnte, verantwortlich für die Verkehrspolitik. Notfalls muss Müller also in den sauren Apfel beißen und die SPD-Fraktion weiter führen. Vorerst jedenfalls. Was die Bundestagswahl in zwei Jahren an personellen Rotationen mit sich bringen wird, ist schwer vorhersehbar.

Eine andere Personalie müssen die Sozialdemokraten am 18. Oktober in ihrer Fraktionssitzung klären. Wer soll neuer Präsident des Abgeordnetenhauses werden? Oder Präsidentin. Starke Ambitionen hat die Finanz-Staatssekretärin Iris Spranger, die von ihrem Chef Nußbaum weg will. Die 50-jährige Vize-Landeschefin aus Marzahn-Hellersdorf, unterstützt von der pragmatischen SPD-Rechten, muss allerdings mit Konkurrenten rechnen. Zwei Genossen sind es, die ihre Kandidatur – bisher allerdings nicht offiziell – angemeldet haben: Die bisherige Vize-Parlamentspräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki könnte das SPD-Urgestein Walter Momper ersetzen, der in den Ruhestand ging. Die 51-jährige SPD-Frau aus Lichtenberg wäre schon qua Amt die geborene Nachfolgerin.

Ein starker Bewerber für das protokollarisch höchste Amt Berlins wäre aber auch der Sozialdemokrat Ralf Wieland, der seit zwölf Jahren im Landesparlament sitzt, bislang den Hauptausschuss leitete und parteiübergreifend wegen seines ausgleichenden Charakters und intelligenten Humors geschätzt wird. Ein Nachteil für den 54-jährigen Wieland ist es, dass er zum rechten Parteiflügel gehört. Der Mann aus Mitte scheiterte 2009 mit einer Kandidatur für den Bundestag.

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