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Quecksilbervergiftung: Ehemaliger KGB-Agent in Charité in Behandlung

Viktor Kalaschnikow hat lange für den sowjetischen Geheimdienst gearbeitet, zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem die Auswertung von Stasi-Akten. Nun weist vieles darauf hin, dass der Mann vergiftet wurde - ein Racheakt?

Ist Berlin wieder Schauplatz einer Abrechnung unter ehemaligen Geheimdienstagenten? Die Vorgänge um den früheren KGB-Agenten Viktor Kalaschnikow, späteren Mitarbeiter im Führungsstab von Boris Jelzin und Angestellten eines russischen Ölkonzerns, lassen es vermuten. Starke Vergiftungserscheinungen beklagt der Russe, der sich zurzeit in Berlin aufhält. Und weil die toxikologische Abteilung der Charité das in einem medizinischen Befund bestätigt, nimmt auch das Landeskriminalamt den Fall ernst, das im Zuge der medizinischen Untersuchungen eingeschaltet wurde.

Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren ist noch nicht eingeleitet: „Reine Polizeisache“, sagt Justizsprecher Martin Steltner. Bei der Polizei will man sich „aus datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht äußern. Aus Sicherheitskreisen ist jedoch zu hören, dass ermittelt wird, seitdem bei Viktor Kalaschnikow 53 Mikrogramm Quecksilber pro Liter Blut gemessen wurden und bei seiner Ehefrau Marina sogar 56 Mikrogramm – ein bis drei Mikrogramm gelten als Grenzwert. Diese Diagnose der toxologischen Abteilung bestätigte auch die Sprecherin der Charité, Stefanie Winde, am Montag. Kalaschnikow sagte auf Anfrage: „Wir sind dankbar dafür, dass sich die Ärzte professionell mit der Vergiftung befassen.“ Er beklagte die „typischen Symptome: Übelkeit, Schwindelanfälle, ein verrückt spielender Blutdruck“. Auch drohen Nieren- und Gehirnschäden, befürchtet der Betroffene. Kann er sich selbst die hohen Quecksilberwerte erklären?

„Nein“, sagt Kalaschnikow, falsche Ernährung kann er aber mit Sicherheit ausschließen: Eine wiederholte, lang anhaltende Zufuhr des Giftes in hoher Konzentration sei erforderlich, um eine solche Konzentration von Quecksilber im Blut zu erreichen. Und bei früheren Untersuchungen etwa in Polen hätten die Ärzte herausgefunden, dass nicht einfach nur Quecksilber, sondern ein ganzes giftiges Gebräu verschiedener Substanzen seine Wirkung im Körper entfaltet habe.

Sind dunkle Mächte aus der Vergangenheit am Werke? Der Fall Alexander Lebedew, ebenfalls KGB-Mitarbeiter, lässt aufmerken: Er hatte im Jahr 2009 auch plötzlich unerklärlich hohe Quecksilberwerte im Blut. Doch der ehemalige KGB–Offizier Kalaschnikow will von einem Komplott vorerst nichts wissen. Er hofft auf die polizeilichen Ermittlungen. Wer aber eindringlich nachfragt, erfährt, dass der als Journalist tätige Sicherheitsexperte als Geheimnisträger durchaus eine Zielscheibe für rachsüchtige Gegner gewesen sein könnte: Auf seinem Schreibtisch lagen 1990 die Stasi-Akten der DDR – er wertete sie aus und speiste sensible Informationen aus der Bundesrepublik und der Nato an die richtigen Stellen des Moskauer Sicherheitsapparates ein. „Vieles ist Schnee von gestern, aber manches auch heute noch interessant“, sagt er.

Heute gilt Kalaschnikow vor allem in Russland als unbequem: Der Journalist berichtet über das wiedererstarkte Land, die militärische Bedrohung in Osteuropa und der aggressiven Tschechenien-Politik. In Russland erscheinen seine Schriften nicht, dafür in Polen, in der Ukraine und anderen Nachbarstaaten, wo die Bedrohung wahrgenommen werde. Und manches davon decke sich mit den geheimen Diplomatendepeschen, die Wikileaks jüngst veröffentlichte, sieht sich Kalschnikow bestätigt. Ralf Schönball

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